Der Post hoc ergo propter hoc-Blog – was ist das?

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Hi! Ich bin Andi, 27, Medizinstudent, und habe heute diesen Blog ins Leben gerufen. Als ersten Post erscheint es mir sinnig zu erklären, wie man überhaupt auf die Idee kommen würde, so etwas Seltsames zu tun. Hat die Welt nicht schon genügend Blogs? Sollte man heutzutage nicht lieber einen Instagramkanal gründen?

Wieso das alles?

Ich beschäftige mich schon seit meiner Jugend mit Wissenschaft. Wissenschaft kann enorm spannend sein! Leider kommt das insbesondere in der Schule oft gar nicht so rüber. Das erste Mal, dass mir jemand Wissenschaft so erklärt hat, dass es mich wirklich begeistert hat, war als ich vor vielen Jahren anfing Florian Freistetters Blog Astrodicticum simplex zu lesen. In seinem Blog schreibt er hauptsächlich über Astronomie. Und wenn man nur wenige seiner Artikel liest, merkt man schnell: Das Universum ist faszinierend! Der Kosmos ist an vielen Stellen viel verrückter, außergewöhnlicher und unerwarteter als wir es uns vorstellen können. Dass es uns die wissenschaftliche Methode überhaupt ermöglicht, zu wissen wie das Universum um uns herum aufgebaut ist, ist schon enorm beeindruckend. Und prinzipiell gilt das auch für alle anderen Wissenschaften neben der Astronomie. Man braucht nur jemanden, der ein Thema anschaulich und verständlich erklären kann, dann macht es ungeheuer Spaß, etwas über unsere Welt zu lernen und sie ein bisschen besser zu verstehen. Darüber hinaus hat das wissenschaftliche Verständnis der Natur auch eine eigene Poesie, etwas fast schon transzendentes. Wer sie noch nicht kennt, dem sei an dieser Stelle die (schon etwas ältere, aber immer noch großartige) Serie Cosmos mit Carl Sagan empfohlen, die sehr gut vermittelt, was ich damit meine. Für mich als überzeugten Rationalist reicht das noch am ehesten an eine “spirituelle” Erfahrung heran.

Für die Medizin gilt prinzipiell das Gleiche. Der menschliche Körper ist hochkomplex, und damit auch hochinteressant. Hier gibt es jedoch auch noch eine zusätzliche Komponente: Jeder von uns wird in seinem Leben auch mit Krankheit konfrontiert sein. Gute Entscheidungen über die eigene Gesundheit zu treffen ist jedoch nur dann möglich, wenn man die eigene Krankheit auch versteht. Dazu klärt man als Ärztin seine Patienten ausführlich über ihre Erkrankung auf. Aber wie will man eine komplizierte Erkrankung verstehen, wenn einem grundlegendes biologisches Vorwissen fehlt? Kann man das eigene Karzinom wirklich verstehen, wenn man nicht weiß was überhaupt das Epithel ist, aus dem es entsteht? Woher soll ich denn wissen, wann ich einfach abwarten soll, wann ich einen Arzttermin vereinbare, wann ich den Notarzt rufe? Wie soll ich nachvollziehen, wieso mein Kind eine Impfung brauche, wenn ich die Krankheit die sie verhindert gar nicht kenne (oder noch nicht einmal aussprechen kann. Für einen Schulvortrag übers Impfen habe ich mal einen Arzt interviewt. Meine erste Frage war, wie man “Diphtherie” denn überhaupt ausspricht. Ich hatte von dieser Erkrankung, an der vor der Einführung der Impfung so viele Kinder gestorben sind, dankenswerterweise noch nie gehört). In der Schule lernt man so etwas nicht. Bis wir in der Schule ein eigenes Fach Gesundheit etabliert haben, wird sich an dieser Situation auch wenig ändern. Ein Aspekt, den ich mit diesem Blog angehen möchte, ist solches medizinisches “Grundwissen” zu vermitteln.

Dicht daran angeschlossen gibt es sehr viele Missverständnisse über medizinische Sachverhalte. Wir sprechen von Blutverdünnern, wenn eigentlich eine Hemmung der Blutgerinnung gemeint ist. Wir wollen “natürliche” Behandlungen, und möglichst wenig mit Chemikalien zu tun haben, jedoch bestehen wir und alles um uns herum aus Chemikalien. Wir sprechen von Blinddarmentzündung, wenn wir eine Entzündung des Wurmfortsatzes (die “Appendix”, deren Entzündung Appendizitis genannt wird) meinen. Es ist gemeinhin bekannt (“It is known”), dass man mit nassen Haaren nicht aus dem Haus gehen soll, sonst holt man sich eine “Erkältung”. Aber stimmt das denn wirklich? Solche Missverständnisse möchte ich ebenfalls thematisieren.

Was bedeutet denn eigentlich dieser Titel?

Außer dass sich Post hoc ergo propter hoc-Blog witzig anhört, was hat es damit auf sich? Wer entweder Latein kann (was auf mich nicht zutrifft), oder sich mit formaler Logik auskennt (was schon eher stimmt), der erkennt diesen Satz als einen beliebten logischen Fehlschluss, d.h. eine Form fehlerhafter Logik. Übersetzt bedeutet post hoc ergo propter hoc etwa “danach, also deswegen” und beschreibt unser aller Tendenz, zwei Ereignisse, die nacheinander passieren auch kausal miteinander zu verknüpfen. Passiert zuerst A, und kurz danach B, dann schließen wir daraus sehr schnell, dass B durch A verursacht wurde. Stimmt aber nicht (immer): Der Hahn kräht, und danach geht die Sonne auf. Niemand würde jedoch behaupten, der Hahn hat die Sonne herbeigekräht. Wer aber kennt nicht mindestens eine Bekannte, die absolut davon überzeugt ist, dass ein wirkstofffreies Zuckerkügelchen ihr Zipperlein, etwa eine Erkältung, geheilt habe? “Aber es kann doch kein Zufall sein, dass das direkt nach den Globuli besser geworden ist!”, wird man da oft hören. Kann aber eben schon Zufall sein, auch wenn unsere Wahrnehmung schreit: “danach, also deswegen!”. Aber eine Erkältung verschwindet auch ganz ohne Therapie recht bald wieder von alleine. Post hoc ergo propter hoc hat unsere Bekannte auf den falschen Pfad geführt. Und man darf nicht glauben, dass dieser Fehler nur dem medizinischen Laien passiert. Jeder ist von solchen kognitiven Biases betroffen, und ich werde diese auch regelmäßig ansprechen. Denn der erste Schritt sich vor ihnen zu schützen ist es, sie zu kennen.

Der Begriff Bias aus dem Englischen lässt sich leider nicht wirklich gut ins Deutsche übersetzen. Am ehesten kommt noch das Wort “Verzerrung” oder “Verzerrungsfehler” an seine Bedeutung heran, nämlich eine systematische Verzerrung der Wahrheit. Ich verwende jedoch den Begriff Bias, denn keine Übersetzung trifft meiner Ansicht nach so richtig den Kern des Begriffes.

Für die Medizin sind Biases besonders relevant. Viele Therapien, die wir historisch oder auch heute noch verwenden sind nachweislich wirkungslos. Trotzdem sind sowohl Patient als auch Ärztin von ihrer Wirkung überzeugt. Wie passt das zusammen? Die Antwort liegt darin begründet, dass persönliche Erfahrung ein unglaublich schlechter Indikator dafür ist, ob medizinische Interventionen wirken oder nicht. Die genauen Gründe, wieso das so ist, werde ich ebenfalls in diesem Blog thematisieren. Hier sei jedoch schon mal erwähnt: Eine wichtige Erklärung für dieses Phänomen ist eben der post hoc ergo propter hoc-Fehlschluss – und deswegen habe ich ihn als Namen für diesen Blog gewählt.


Ich beginne noch als Medizinstudent mit diesem Blog, da mir bereits während des Studiums viele dieser Missverständnisse bei Kommilitonen, Patienten, Dozenten und mir selber aufgefallen sind. Dieses Projekt ist daher nicht nur für die Leser, sondern auch für mich selbst gedacht. Denn wenn man die eigenen Ansichten aufschreibt, dann muss man sie auch nachvollziehbar belegen können. So überprüft man sich selber, und kann eigene Fehler leichter identifizieren.

Nun könnte man sich jedoch fragen, wieso man einem Studenten, der noch nicht mal approbiert, geschweige denn Facharzt ist überhaupt irgendetwas über Medizin glauben sollte. Die Antwort ist einfach: Da Autorität sowieso überschätzt wird, und bei einer Behauptung letztlich nur die dahinterstehende Evidenz zählt, nicht der Titel desjenigen, der eine Behauptung aufstellt. Meine Artikel werde ich daher mit Links zu meinen wichtigsten Quellen versehen. Lehrbuchwissen werde ich jedoch nicht verlinken, da werdet ihr mir einfach vertrauen müssen. Wenn sich doch irgendwo ein Fehler einschleicht, dann freue ich mich über den entsprechenden Hinweis. Das gilt auch für Rechtschreibung und Grammatik (ich merke beim Schreiben zum Beispiel, wie wenig ich deutsche Kommasetzung verstehe).

Der obligatorische Disclaimer

Ich schreibe hier über medizinische Themen. Ich werde auch über Interventionen schreiben, die meiner Ansicht nach unglaublich nützlich sind (wie z.B. Impfungen), und über solche, für die es keine guten Wirksamkeitsbelege gibt (z.B. Akupunktur). Ziel ist es dabei, über diese medizinischen Interventionen aufzuklären, dass man sie besser versteht und so eine besser informierte Entscheidung für die eigene Gesundheit treffen kann. Diese Entscheidung muss jedoch immer in Rücksprache mit dem eigenen (Haus-)Arzt getroffen werden! In diesem Blog finden sich allgemeine Informationen, die sich nicht immer auf das Individuum übertragen lassen. Außerdem habe ich schon erwähnt, dass ich einzelne Fehler nicht ausschließen kann. Manche Aussagen spiegeln einfach meine persönliche Meinung wider. Wer den Blog eines Medizinstudenten als Grundlage für Entscheidungen über die eigene Gesundheit verwendet, der trägt dafür auch die alleinige Verantwortung. Ich würde jedoch davon abraten. Allerhöchstens kann dieser Blog den Impuls geben, das Gespräch mit einem Arzt zu suchen (“Würden Sie mir diese Impfung empfehlen, oder kann ich auf sie verzichten?”). Eigentlich ist er jedoch schlicht dafür gedacht, interessante Sachverhalte aus der Medizin allgemeinverständlich zu erklären. Es geht hier um Aufklärung und nicht um Gesundheitsberatung, die immer individuell erfolgen muss.

Ich bekomme für das Schreiben dieses Blogs kein Geld, auch nicht von der Pharmaindustrie, und habe auch sonst keine Beziehungen zu ihr. Im Gegenteil, das Betreiben dieses Blogs kostet mich Geld. Aus Transparenzgründen möchte ich jedoch darauf hinweisen, dass ich Mitglied der GWUP, der gbs und der Partei der Humanisten bin. Mit diesem Blog haben diese Organisationen aber nichts zu tun. Es ist ein rein persönliches Projekt meinerseits.

Nachtrag 19. November 2021: Wow, jetzt gibt es meinen Blog schon ein ganzes Jahr lang. Seit einer Woche bin ich auch Mitglied bei Doctors for Choice Germany, was ich aus Transparenzgründen erwähnen sollte. Auch diese Organisation hat keinerlei Verbindung zu diesem Blog.

Nachtrag 23. Juli 2023: Mittlerweile habe ich mein Studium abgeschlossen und bin im Rahmen der Weiterbildung zum Facharzt Allgemeinmedizin als Arzt tätig. An meinen relevanten Organisationsmitgliedschaften hat sich nichts geändert.

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