Vergessene Seuchen: Wenn sich Säuglinge zu Tode husten

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Kinderkrankheiten sind nicht harmlos. Hier könnt ihr sehen, wie schlimm eine “Kinderkrankheit” für einen Säugling sein kann:

“Whooping cough” ist Keuchhusten, im Fachjargon auch Pertussis genannt. Er beginnt oft als einfache Erkältung und führt dann zu den heftigen, charakteristischen Hustenanfällen, die ihr im Video sehen könnt. Dadurch können betroffene Kinder so lange nicht atmen, dass sie danach tiefe, japsende Atemzüge machen müssen. Dieses Stadium der Erkrankung kann mehrere Wochen andauern, in denen immer wieder Hustenanfälle auftreten – mehrere am Tag. Die Krankheit kann auch dazu führen, dass Kinder gar nicht mehr atmen. Dementsprechend kann sie auch tödlich verlaufen. Und das passiert auch heute noch. Am Anfang des 20. Jahrhunderts lag die Letalität der Erkrankung bei ca. 10 %, d.h. jedes zehnte erkrankte Kind ist an der Infektion gestorben. Auch heute sterben weltweit noch etwa 160.000 Kinder jährlich an Keuchhusten

Ein Toxin als Auslöser

Keuchhusten ist eine Infektionskrankheit und wird durch ein Bakterium ausgelöst, das Bordetella pertussis heißt. Es wurde 1906 das erste Mal isoliert. Die Übertragung erfolgt mittels Tröpfcheninfektion durch Husten, Sprechen und Niesen bei engem Kontakt, und die Krankheit ist sehr ansteckend. In den oberen Atemwegen setzt sich das Bakterium fest und produziert Toxine. Diese hemmen die sogenannte mukoziliäre Clearance, also den Mechanismus, mit dem Schleim in den Atemwegen von unten, d.h. aus den Bronchien, nach oben Richtung Rachen transportiert wird (und dort dann geschluckt wird). Der nicht abtransportierte Schleim beim Keuchhusten verursacht dann einen enormen Hustenreiz, denn sonst würde man ihn gar nicht mehr aus den Atemwegen bekommen. Typischerweise kommt es zu Hustenattacken, während derer dann nicht mehr geatmet werden kann – mitunter kann man wegen fehlendem Sauerstoff im Blut dann sogar blau anlaufen. Die Attacken treten gehäuft in der Nacht auf.

Auch Erwachsenen können die Krankheit bekommen. Hier verläuft sie meistens weniger schlimm, aber es kann immer noch passieren, dass durch die heftigen Hustenanfälle Rippen brechen – harmlos kann man das nicht nennen.

Dementsprechend sind Erwachsene auch deutlich häufiger asymptomatisch infiziert und fungieren so als Reservoir, d.h. sie merken selbst nichts von der Infektion, aber stecken Menschen an, die deutlich anfälliger für schwere Verläufe sind: kleine Kinder, Alte, Immunsupprimierte.

Was tun?

Eine antibiotische Therapie der Infektion ist zwar möglich, die Diagnose wird aber meist erst zu spät gestellt, um den Krankheitsverlauf noch wesentlich zu beeinflussen. Das liegt daran, dass die Toxine des Bakterium ihren Schaden schon angerichtet haben, auch wenn das Bakterium abgetötet wird. Viel wichtiger ist die Antibiose daher zur Verhinderung der Übertragung. Neben dem Patient selbst werden auch Kontaktpersonen prophylaktisch mit Antibiotika therapiert, um die Infektionskette zu durchbrechen.

Wirklich wichtig zur Bekämpfung des Keuchhustens ist aber die Impfung. Diese schützt sehr gut (wenn auch nicht perfekt) vor der Erkrankung, hat aber zwei Nachteile. Der erste Nachteil ist, dass die Immunität mit der Zeit nachlässt und daher alle 10 Jahre eine Auffrischungsimpfung notwendig ist. Die Impfquoten für die Auffrischung bei Erwachsenen sind katastrophal schlecht – nur ca. 7,5 % haben einen ausreichenden Impfschutz. Bei Erwachsenen, die mit einem Säugling zusammen in einem Haushalt leben, liegt die Quote mit 22% zwar höher, aber immer noch viel zu niedrig, um Säuglinge zuverlässig vor der Infektion zu schützen.

Der zweite Nachteil der Impfung ist, dass sie erst ab dem zweiten Lebensmonat das erste Mal geimpft wird, und insb. Neugeborene daher anfällig für die Erkrankung sind – wenn sie nicht einen Immunschutz von ihrer Mutter mitbekommen, den sogenannten Nestschutz. Der jedoch ist abhängig vom Impfstatus der Mutter, der wie oben erwähnt im Allgemeinen ziemlich schlecht ist. Daher gibt es seit einigen Jahren auch die Empfehlung, Schwangere gegen Pertussis zu impfen, um so das Neugeborene bis zu seiner ersten Impfung durch die Mutter zu schützen.

Impfmythen

Ein wesentlicher Grund für die viel zu niedrige Impfquote sind wie leider so häufig Impfgegner. Insbesondere der 1982 erschienene Film “DPT: Vaccine Roulette” ist hier ursächlich. DPT steht in diesem Fall für Diphtheria, Pertussis, Tetanus, also der Kombinationsimpfung gegen diese drei Krankheiten, da es gar keinen Einzelimpfstoff gegen Pertussis gibt. In diesem Film wurde impliziert, dass das Risiko durch Nebenwirkungen der Impfung viel größer sei, als das Risiko durch Keuchhusten. Insbesondere wurde behauptet, dass die Impfung häufig zu neurologischen Schäden und geistiger Behinderung führen würde. Im Film wurden Kinder gezeigt, die nach der Impfung neurologische Schäden erlitten haben – ohne zu zeigen, dass die Schäden auch durch die Impfung bedingt waren (wieder einmal der klassische Post hoc ergo propter hoc-Fehlschluss). Überzeugende Belege für diese Behauptungen gab es damals wie heute keine. Reihenweise epidemiologische Studien haben keinen Zusammenhang von schweren neurologischen Schäden, wie sie in Vaccine Roulette als häufig dargestellt wurden, mit der DPT-Impfung zeigen können. Zwar hat die Impfung einige Nebenwirkungen, diese sind aber entweder harmlos oder wirklich selten (in der Größenordnung von 1:100.000). Das Risiko der Erkrankung ist – wie bei jeder routinemäßig verabreichten Impfung – um Größenordnungen größer als das Risiko der Impfung.

Trotzdem wurde – als weitgehend unnötige Vorsichtsmaßnahme – nach dem Film und dem gesellschaftlichen Druck, der durch ihn aufgebaut wurde, der damals verwendete Ganzkeimimpfstoff durch einen azellulären Impfstoff ersetzt, der auch heute noch verwendet wird. Dieser neue Impfstoff zeigt zwar nochmal weniger Nebenwirkungen, die durch ihn ausgelöste Immunität nimmt aber auch schneller wieder ab, so dass hier alle 10 Jahre nachgeimpft werden muss – was leider aktuell kaum gelingt. Es ist durchaus plausibel, dass die (leicht) steigenden Raten an Keuchhusten der letzten Jahre mitunter dadurch bedingt sind, dass immer weniger Menschen noch den langanhaltenden Impfschutz durch den Ganzkeimimpfstoff besitzen, der vor den 1980er-Jahren verimpft wurde.

In den USA waren die Impfgegner in den 1980ern kurz davor zu erreichen, dass gar keine Pharmafirma mehr Pertussis-Impfstoff produziert – da das Risiko von Zivilklagen viel zu groß war, um den Impfstoff noch gewinnbringend zu verkaufen. Die amerikanische Politik musste daraufhin reagieren und hat das National Vaccine Injury Compensation Program ins Leben gerufen – das bis heute existiert. Hier konnte also verhindert werden, dass ein wirksamer Wirkstoff wegen irrationaler Befürchtungen vom Markt verschwindet. Leider gibt es auch Beispiele, bei denen die Impfgegner erfolgreich waren.

Conclusio

Auch wenn heute der Eindruck herrscht, Kinderkrankheiten seien harmlos, ist dem mitnichten so. Erst vor einem Jahr hatte ich über Polio geschrieben. Dank der modernen Medizin haben wir viele gefährliche Kinderkrankheiten zu kontrollieren gelernt. Zentrales Element spielen hierbei Impfungen. Leider gibt es keinen Grund, wieso diese einst so gefährlichen Infektionserreger nicht ein tödliches Comeback feiern könnten, wenn nur unsere Impfraten weit genug abfallen. Daher: Bitte nehmt beim nächsten Hausarztbesuch euer Impfbuch mit und holt euch bei Bedarf eine Pertussis-Auffrischimpfung ab. Ihr könntet damit einem Baby in eurer Umgebung das Leben retten.


Quellen:

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