Die mRNA-Corona-Impfungen

Veröffentlicht von

Eine Corona-Impfung ist unser Weg aus der Pandemie. Die neue Technologie der mRNA-Impfungen hat uns nach weniger als einem Jahr schon effiziente Vakzine gegen Covid-19 gebracht. Trotzdem stehen erschreckend viele Menschen der Impfung skeptisch gegenüber. Nur etwa 50 % der Allgemeinbevölkerung, und auch des Pflegepersonals auf Intensivstationen will sich impfen lassen. Auch bei Ärzten liegt die Bereitschaft mit 75 % noch sehr niedrig. Seit dem Sommer ist die Impfbereitschaft der Deutschen sogar gesunken. Schauen wir uns also an, wie die neue Impfung funktioniert, wie sie in klinischen Studien abschneidet, und wie es um ihr Nutzen/Risiko-Verhältnis bestellt ist.

Im folgenden wird oft von unterschiedlichen Phasen klinischer Studien die Rede sein. Einen Überblick über die Phasen, die Impfstoffe und Medikamente während ihrer Entwicklung durchlaufen, gibt Wikipedia. Ich werde diesen Artikel regelmäßig aktualisieren, so lange es neue Erkenntnisse über die mRNA-Impfungen gibt. Alle Änderungen habe ich am Ende des Artikels dokumentiert.

Was ist eine Impfung?

Es macht eingangs Sinn, uns kurz wieder ins Gedächtnis zu rufen, was wir mit einer Impfung eigentlich bezwecken wollen.

Unser Immunsystem ist unglaublich gut darin, Infektionskrankheiten zu bekämpfen. Mit den allermeisten Infekten wird unser Immunsystem daher selbst fertig. Man kann das Immunsystem grob in das angeborene und das erworbene Immunsystem unterteilen. Letzteres zeichnet sich dadurch aus, dass es eine Immunreaktion hochspezifisch gegen einzelne Erreger richtet. Dazu braucht es aber vom Kontakt mit dem Erreger an etwa ein bis zwei Wochen, bis diese Immunantwort ihr volle Ausprägung erhält. Das erworbene Immunsystem ist auch verantwortlich dafür, dass wir nach einer durchstandenen Infektion in vielen Fällen immun gegen diesen einen Erreger sind. Teil des erworbenen Immunsystems sind sog. Gedächtniszellen, die sich eine bereits überstandene Infektion “merken”, bei erneutem Kontakt mit demselben Erreger wieder aktiv werden und ihn so direkt eliminieren. Manchmal sind ein bis zwei Wochen aber zu lange, um eine gefährliche Infektion zu bekämpfen, die unter Umständen rasend schnell verläuft. Oder aber es kommt durch die Vermehrung des Virus zu einer ungeordneten Überaktivierung des Immunsystems und diese Reaktion führt dann erst zum Tod. So ist es der Fall bei SARS-CoV-2, dem neuartigen Coronavirus.

Mit einer Impfung wird die Infektion eines bestimmten Erregers simuliert. Dazu gibt es mehrere Möglichkeiten; zwei davon werden in den meisten Impfungen, die wir alle als Kinder (und als Erwachsene als Auffrischimpfung!) bekommen, eingesetzt. Eine Möglichkeit besteht darin, einen Erreger (meistens ein Virus) durch Vermehrung in Zellkulturen abzuschwächen (“attenuieren”), und dann Menschen mit diesem schwachen Virus zu impfen (eine sogenannte Lebendimpfung). Dadurch wird eine Immunantwort generiert, die auch gegen das “echte” Virus schützt, aber ohne dass das Impfvirus einen schweren Verlauf wie bei der echten Virusinfektion verursacht. So funktionieren z.B. die Polio-Schluckimpfung, die Masern-Mumps-Röteln-Varizellen-Impfung (MMRV) und die Pockenimpfung, die wir aber heutzutage gar nicht mehr brauchen, da die Pocken durch konsequente Impfprogramme ausgerottet wurden (eine der größten Errungenschaften der Menschheit, die aber leider viel zu wenig gewürdigt wird).

Genau genommen war die Pockenimpfung kein attenuiertes Pockenvirus, sondern ein verwandtes Pockenvirus (vermutlich ursprünglich ein Kuhpockenvirus, eventuell auch ein Pferdepockenvirus. Die historischen Details sind unklar). Das Prinzip ist aber das gleiche: die Immunreaktion gegen das verwandte, harmlose Pockenvirus schützt auch vor den echten, hochgefährlichen Pocken.

Die andere Möglichkeit ist es, Viren abzutöten (durch Hitze oder chemisch) oder nur Teile des Virus (häufig Proteine an der Virusoberfläche) zu injizieren. Das ist dann die sogenannte Totimpfung. Der Begriff (wie auch der der Lebendimpfung) ist etwas blöd gewählt, da Viren per definitionem nicht leben. Besser spricht man von aktiven und inaktivierten Viren. Es ist aber klar, was gemeint ist. Bei einem Lebendimpfstoff kommt es im Körper zu einer Vermehrung des Impfvirus, was bei einem Totimpfstoff unmöglich ist. Trotzdem wird das inaktivierte Virus (bzw. die injizierten Bestandteile) vom Körper als fremd erkannt, und dagegen eine Immunantwort gerichtet. Diese Immunantwort schützt dann auch vor dem echten, “lebendigen” Virus.

Wie läuft eine Virusinfektion ab?

Um die neue mRNA-Impfung verstehen zu können, müssen wir kurz erklären, wie überhaupt eine Virusinfektion abläuft. Ein Virus ist ein zellulärer Parasit. Es1 kann sich also nicht ohne (menschliche) Zellen vermehren. Ihm fehlt auf der einen Seite die Energie in Form von ATP, auf der anderen Seite auch die Maschinerie der Proteinbiosynthese. Ein Virus besteht nur aus einer kleinen Menge Erbsubstanz (DNA oder auch RNA – bei Coronaviren ist es RNA) mit einer Proteinhülle drum herum. Manchmal kommt um diese Proteinhülle noch eine Hülle aus Lipiden, die sich von der Plasmamembran der Zelle ableitet, die vom Virus infiziert wurde. Solche Viren – zu denen auch Coronaviren gehören – bezeichnet man als umhüllt.

Je nach Aufbau der Protein- oder Lipidhülle kann das Virus an bestimmte Zelltypen (z.B. Hautzellen, Leberzellen, etc.) binden. Dabei interagieren Proteine auf der Zelloberfläche mit Proteinen auf der Virusoberfläche (bei SARS-CoV-2 das Spike-Protein). Die Zelle nimmt dann das Virus auf, und die Erbinformation gelangt ins Zellinnere. Je nach Virus unterscheidet sich der Ablauf jetzt. Im Falle von Coronaviren kommt es dazu, dass die Erbinformation von der Zelle als mRNA erkannt wird. Die Ribosomen der Zellen übersetzen die Virus-RNA in die Strukturproteine des Virus (Hüllproteine und das Spike-Protein) und auch in ein Enzym, das die Erbinformation des Virus kopiert. Die neuen Virus-Genome und die Hüllproteine bilden zusammen nun neue Viren, die aus der Zelle geschleust werden (und auf dem Weg ihre Lipidmembran mitnehmen). Nun kann der Replikationszyklus erneut beginnen, indem die neuen Viren ihrerseits an Zellen binden.

Wie funktioniert eine mRNA-Impfung?

mRNA haben wir in Teil 4 der Serie zu biologischen Substanzklassen besprochen. Mit einer mRNA-Impfung wird also ein Molekül in die Zelle gebracht, das die Bauanleitung für ein Protein enthält. Man kann einen Impfstoff so designen, dass er wirklich nur die mRNA enthält. Sie wird dann aber nur von wenigen Zellen aufgenommen. Denn bei einer Impfung injiziert man den Impfstoff in den Extrazellularraum, also zwischen die Zellen. Diese müssen ihn dann aber auch noch aufnehmen. Um diesen Prozess zu verbessern, wird die mRNA in modernen mRNA-Impfstoffen in sog. Lipid-Nanopartikel verpackt. Das sind nichts anderes als Doppelmembranen (kleine Fetttröpfchen, wenn man so will), welche die RNA verpacken. Dadurch wird sie besser von Zellen aufgenommen. Im Zytosol der Zelle wird die eingebrachte mRNA dann wie jede zelleigene mRNA auch in ein Protein übersetzt (translatiert). In diesem Fall ist es das Spike-Protein von SARS-CoV-2. Die Zelle wird nun einerseits vom Immunsystem als virusinfiziert erkannt, andererseits wird auch gegen das Spike-Protein eine Immunantwort gebildet. So werden beide Arme der erworbenen Immunantwort aktiviert – die sog. humorale Immunantwort (Antikörperbildung) und die zelluläre Immunantwort (Immunzellen, die infizierte Zelle abtöten). Eine mRNA-Impfung simuliert eine Virusinfektion nochmal deutlich besser als eine Impfung mit konventionellen Lebendimpfstoffen, und löst dadurch auch eine bessere Immunantwort aus.

Das geschieht dadurch, dass das Antigen in diesem Fall sowohl über MHC Klasse 1-Moleküle (-> zelluläre Immunantwort) als auch über MHC Klasse 2-Moleküle (-> humorale Immunantwort) effizient präsentiert wird, da es sowohl in der Zelle selber produziert als auch sezerniert wird. Wird nur exogen Antigen zugeführt (wie bei Totimpfstoffen), dann wird hauptsächlich die humorale Immunantwort stimuliert, da kaum Antigen über MHC Klasse 1-Moleküle präsentiert wird (nur geringe Mengen über die sogenannte Kreuzpräsentation). Genaueres zu MHC-Molekülen werde ich in Zukunft mal in einem eigenen Post zum Immunsystem erklären. An dieser Stelle reicht erstmal die Information, dass mRNA-Impfstoffe sehr gut beide Arme der erworbenen Immunantwort stimulieren können.

Mit einer mRNA-Impfung lässt man also das Antigen, dass man für viele herkömmliche Totimpfstoffe aufwendig in Zellkulturen oder Hühnereiern anzüchten muss, direkt von Körperzellen synthetisieren. Schon von diesem Gesichtspunkt aus ist die mRNA-Impfung also eine elegante Methode. Auch spielt es eine Rolle, welche Zellen denn genau infiziert werden. Insbesondere möchte man sog. dendritische Zellen erwischen, welche Immunzellen des angeborenen Immunsystems sind und darauf spezialisiert sind, das erworbene Immunsystem zu aktivieren. Je nach Formulierung des Impfstoffs kann so auch der gewünscht Zelltyp zumindest präferenziell anvisiert werden.

Nicht nur gegen Infektionserkrankungen werden mRNA-Impfstoffe hergestellt. Auch einige mRNA-Impfstoffe gegen Krebs werden derzeit in klinischen Studien getestet. BioNTech war eigentlich eine Firma, die sich auf diese Anwendung spezialisiert hat. Das potentielle Anwendungsgebiet für mRNA-Impfstoffe ist also groß.

Wieso mRNA statt anderer Impfungen?

Man fragt sich natürlich, wieso man jetzt überhaupt eine neue Art von Impfstoff benötigt. Die “alten” Impfungen funktionieren schließlich enorm gut. Die Antwort ist, dass mRNA nochmal eine ganze Reihe an weiteren Vorteilen mit sich bringt. Gerade eben haben wir schon besprochen, dass eine Virusinfektion durch mRNA etwas besser simuliert wird als durch konventionelle Totimpfstoffe, und daher eine bessere Immunantwort auslöst. Der wichtigste Vorteil im Kontext einer Pandemie ist jedoch die Tatsache, dass mRNA-Impfstoffe enorm schnell entwickelt werden können. Moderna hat von der Veröffentlichung des Virusgenoms bis zur Festlegung der RNA-Sequenz ihrer Impfung nur zwei Tage benötigt. Es ist also kein Zufall, dass die ersten beiden Impfungen, die zugelassen sind (bzw. werden), beides mRNA-Impfungen sind. Zusätzlich ist mRNA billig und schnell in großem Maßstab herstellbar, ganz im Gegensatz zu Proteinen. Das sind beides enorm wichtige Faktoren, wenn wir schnell große Anteile der Weltbevölkerung durchimpfen wollen. Und generell gilt natürlich, dass mRNA-Impfstoffe leicht anpassbar sind. Auch in zukünftigen Pandemien (die kommen werden!) wird mRNA eine wichtige Rolle spielen. Das ist auch der Grund, wieso sie als Krebsmedikament erforscht werden. Dadurch, dass mRNA so schnell anpassbar ist, kann man die RNA-Sequenz spezifisch auf den individuellen Tumor des Patienten anpassen, um – so die Hoffnung – dadurch optimale Ergebnisse zu erreichen.

Ein weiterer Vorteil von RNA besteht darin, dass sie ihr eigenes Adjuvans darstellt. Adjuvantien sind Substanzen in Impfstoffen, die dazu da sind, die Immunantwort zu verbessern. Sie funktionieren so, dass sie das angeborene Immunsystem aktivieren. Es ist nämlich so, dass das erworbene Immunsystem (das wir ja eigentlich im Blick haben) nur dann aktiviert wird, wenn es vom angeborenen Immunsystem den Startschuss bekommt. Dazu sind Adjuvantien da, wie beispielsweise Aluminiumhydroxid (und andere Aluminiumsalze) in manchen bekannten Impfungen. Bei RNA ist es anders: RNA wirkt selber schon stimulierend auf das angeborene Immunsystem. Das liegt daran, dass RNA nicht gleich RNA ist. Insbesondere unterscheidet sich RNA, die von Eukaryoten synthetisiert wird, von RNA aus Bakterien oder Viren, u.a. durch eine Methylgruppe an der Ribose. So kann eine Zelle die eigene RNA von fremder RNA unterscheiden. Erkennt sie fremde RNA, wie beispielsweise die Impf-RNA, dann aktiviert sie das angeborene Immunsystem. Durch Modifikationen der RNA (z.B. modifizierte Nucleoside, ein Rückgrat aus Phosphorothioat, oder Komplexierung mit Protamin) kann dieses Adjuvans-Potential modifiziert werden, und ggf. auch ganz eliminiert werden. Dann muss man der Impfung allerdings ein herkömmliches Adjuvans beimischen. Es ist auch so, dass sich die Wirkung als Adjuvans (also die Stimulation des angeborenen Immunsystems) umgekehrt proportional zur Stimulation des erworbenen Immunsystems verhält. Das ist logisch: Je stärker das angeborene Immunsystem aktiviert wird, desto mehr wird es die Translation der RNA durch ebendieses unterdrücken. Aber ohne Translation, d.h. bei Corona ohne Bildung des Spike-Proteins, kann das erworbene Immunsystem nicht mehr stimuliert werden. Wenn man den Adjuvans-Effekt der RNA ausnutzen will, muss man also einen Kompromiss zwischen den Aktivierungen beider Teile des Immunsystems finden. Wie auch immer die Impfung letztlich formuliert ist, bieten sich hier neue Möglichkeiten gegenüber anderen Totimpfstoffen.

Ein weiterer Vorteil der Produktion der Virusproteine im Menschen (und nicht in Zellkulturen oder Hühnereiern) ist es, dass sowohl Glykosylierungsmuster als auch Proteinfaltung viel ähnlicher denen bei einer echten Virusinfektion sind.

mRNA ist also eine spannende Technologie, von der wir in Zukunft auch unabhängig von Corona noch einiges hören werden.

Zulassungsstudie Pfizer & BioNTech

Wie schneidet denn der mRNA-Impfstoff von BioNTech und Pfizer denn nun in Studien ab? Am 10. Dezember wurden im New England Journal of Medicine die Ergebnisse ihrer Phase III-Studie veröffentlicht. Am 21. Dezember wurde der Impfstoff auch europaweit durch die EMA zugelassen.

In dieser Studie wurden über 40.000 Teilnehmer untersucht. Dabei haben die Hälfte der Probanden die Impfung (die sog. Verum-Gruppe, mit dem Wirkstoff BNT162b2) und die andere Hälfte eine Kochsalzspritze bekommen (Placebo-Gruppe). Es wurden zwei Impfdosen im Abstand von 21 Tagen verabreicht. Es wurden nur Probanden mit einem Alter >16 Jahren untersucht. Die Probanden waren hinsichtlich Alter, Geschlecht, Ethnie, Vorerkrankungen und vieler weiterer Parameter bunt durchmischt. Die Studie wurde an 152 Zentren durchgeführt. Die meisten davon liegen in den USA, aber auch Brasilien, Deutschland, die Türkei und Südafrika waren mit dabei. Im Median wurden die Probanden zwei Monate lang beobachtet (d.h. 50 % wurden länger und 50 % wurden kürzer beobachtet). Diese Zeit ist nicht zufällig festgelegt, sondern kommt daher, dass man aus Erfahrung weiß, dass die meisten Nebenwirkungen innerhalb von sechs Wochen nach Impfbeginn in Erscheinung treten, und man dann mit acht Wochen noch einen guten Puffer hat. Trotzdem werden alle Teilnehmer der Studie insgesamt zwei Jahre lang nachverfolgt werden.

Beobachtete Nebenwirkungen

Die Nebenwirkungen lassen sich grob in zwei Kategorien einteilen: solche, die durch die unspezifische Aktivierung des Immunsystems bedingt sind (streng genommen mehr Wirkung als Nebenwirkung), und solche, die schwerwiegend sind und eine echte unbeabsichtigte Wirkung der Impfung darstellen.

Zu ersterer Kategorie zählen lokale Reaktionen an der Einstichstelle, wie Schmerzen, Rötung, Schwellung (alles drei klassische Entzündungszeichen). In der Studie waren sie selten so stark, dass sie mit dem Tagesablauf interferiert haben, und meistens sind sie nach ein bis zwei Tagen auch schon wieder vorbei gewesen. Ebenso gibt es systemische Symptome, wie Müdigkeit und Kopfschmerzen (bei etwa 50 % der Verum-Gruppe und 25 % der Placebo-Gruppe vorhanden), Fieber, Schüttelfrost, Lymphknotenschwellung, Muskelschmerzen und Gelenkschmerzen. Alle sind “harmlos” in dem Sinne, dass sie keine bleibenden Schäden verursachen, und alle sind sie bedingt durch die Aktivierung des Immunsystems, die schließlich Ziel der Impfung ist.

Zu letzterer Kategorie, also schwerwiegenderen Nebenwirkungen, die in einem Bezug zur Impfung stehen könnten (d.h. die biologisch zumindest mal nicht unplausibel sind), gab es insgesamt nur vier Fälle. Das waren einmal eine Schulterschädigung durch die Injektion, eine Lymphknotenschwellung in der Achsel, eine Herzrhythmusstörung und eine Parästhesie (“Kribbelgefühl”) im rechten Bein. Ein kausaler Zusammenhang ist dadurch natürlich noch nicht gegeben, mit Ausnahme vermutlich der Schulterschädigung (was für eine Art der Schädigung wird nicht näher spezifiziert).

Es gab insgesamt sechs Todesfälle im Zeitraum der Studie. Zwei traten in der Verumgruppe auf (Todesursachen Arteriosklerose und Herzstillstand), und vier in der Placebogruppe (zwei Todesursachen unbekannt, Schlaganfall, Herzinfarkt). Es gab in beiden Gruppen keine Todesfälle durch Covid-19.

Wirksamkeit der Impfung

Ab dem Zeitpunkt sieben Tage nach der 2. Impfdosis gab es 8 Covid-19-Fälle in der Verum-Gruppe und 162 Fälle in der Placebo-Gruppe. Das entspricht einer Effizienz von etwa 95 % (95 %-Konfidenzintervall von 90-98 %). Es konnten keine Unterschiede zwischen den Untergruppen (z.B. Männer / Frauen, Vorerkrankungen, Alter, etc.) beobachtet werden, wobei die Gruppengröße auch nicht groß genug war um sichere Aussagen zu treffen. Die Daten sehen aber erstmal so aus, als ob auch alte und vorerkrankte Menschen durch die Impfung geschützt sind.

Zwischen der ersten und der zweiten Impfdosis sind 39 Patienten in der Verum-Gruppe und 82 Patienten in der Kontrollgruppe erkrankt, was einer Effektivität von ca. 50 % bei nur einer Impfdosis entspricht. Also auch schon die erste Dosis scheint einen gewissen Schutz zu bieten.

Diese Studie war eine sehr große Studie, was Impfungen anbelangt. Unter den Impfstudien seit 2006 war sie sogar die drittgrößte. Dass wir mit so einer großen Studie keine schwere Nebenwirkung sicher (oder auch nur wahrscheinlich) der Impfung zuschreiben können, ist ein sehr gutes Resultat. Hinzu kommt die hohe Effizienz von etwa 95 %, die viele Erwartungen deutlich übertroffen hat. Zusammenfassend lässt sich also sagen: Ausgehend von dieser Studie sieht es nach einer “normalen” Impfung aus, mit sehr guter Wirksamkeit und keinen schweren Nebenwirkungen. Das Nutzen/Risiko-Verhältnis ist also deutlich positiv, wenn man bedenkt, wie gefährlich eine Coronavirusinfektion sein kann.

Zulassungsstudie Moderna

Am 30.12.2020 hat auch Moderna die Phase III-Studienergenisse ihrer mRNA-Impfung im New England Journal of Medicine veröffentlicht. Am 06. Januar 2021 wurde der Impfstoff durch die EMA zugelassen.

Auch diese Studie war sehr groß, mit mehr als 30.000 Teilnehmern. Sie wurde an 99 Zentren durchgeführt, die alle in den USA liegen. Wieder wurden zwei Impfdosen appliziert, diesmal mit 28 Tagen Abstand. Auch hier wurden die Probanden zum Studienzeitpunkt im Median 2 Monate beobachtet, und auch hier waren die Teilnehmer hinsichtlich Alter, Geschlecht, Vorerkrankungen und Ethnien bunt durchmischt. Und auch hier werden alle Teilnehmer insgesamt zwei Jahre nachverfolgt werden.

Beobachtete Nebenwirkungen

Wie in der BioNTech/Pfizer-Studie (und bei allen Impfungen) gab es auch hier die “Neben”wirkungen, die auf die gewünschte Aktivierung des Immunsystems zurückzuführen sind, und die – wie schon besprochen – alle harmlos sind.

Es gab in beiden Gruppen auch schwere Nebenwirkungen, aber es gab keinen statistisch signifikanten Unterschied zwischen beiden Gruppen. Kausal mit der Impfung lässt sich keine Nebenwirkungen verbinden. Es gab auch hier vier Fälle einer Fazialisparese (s. unten), drei in der Verum-Gruppe und einen in der Placebo-Gruppe (ein statistisch aber nicht signifikanter Unterschied).

Es gab in dieser Studie sechs beobachtete Todesfälle. Vier waren in der Placebo-Gruppe (Todesursachen: Covid-19, intraabdominelle Perforation, Herz-Kreislauf-Stillstand, SIRS (severe inflammatory response syndrome) bei chonischer lymphozytischer Leukämie) und zwei in der Verum-Gruppe (Herz-Kreislauf-Stillstand und Suizid).

Wirksamkeit der Impfung

In der Verum-Gruppe wurden 11 Covid-19-Fälle diagnostiziert, in der Placebo-Gruppe waren es 185 (ein statistisch hochsignifikanter Unterschied, mit p<0,001). Das entspricht einer Effizienz von etwa 94 % (95 %-Konfidenzintervall von 89-96 %). Diese Effizienz hat sich auch zwischen den Untergruppen (z.B. nach Alter oder Geschlecht) nicht unterschieden, sondern lag immer in diesem Bereich.

Es gab insgesamt 30 Fälle von Covid-19 mit einem schweren Verlauf, von denen einer tödlich verlief. Alle waren in der Placebo-Gruppe. Mit anderen Worten, in der Impfgruppe gab es keinen einzigen Fall einer schweren Corona-Erkrankung. Mit der Impfung kann man also mit enorm hoher Wahrscheinlichkeit den Tod durch Covid-19 verhindern, auch wenn es in seltenen Fällen noch zu einer milden Erkrankungen kommen kann.

Auch in dieser Studie gab es Hinweise auf einen Impfschutz nach nur einer Impfdosis.

Zusammenfassend sieht diese Studie genau gleich aus wie die Pfizer-BioNTech-Studie. Es konnten keine schweren Nebenwirkungen festgestellt werden, und der Schutz vor Covid-19 ist hervorragend.

Das Zulassungsverfahren

Die EMA (European medicines agency) hat am 21. Dezember die Impfung von BioNTech und Pfizer zugelassen, und am 06. Januar 2021 den Impfstoff von Moderna. Im Gegensatz zu den zuvor erfolgten Zulassungen z.B. in den USA, Großbritannien und der Schweiz handelt es sich hierbei nicht um eine Notfallzulassung, sondern um eine reguläre Zulassung. Ein Unterschied in den beiden Verfahren liegt darin, dass die Hersteller bei einer Notfallzulassung teilweise nicht mehr für etwaige Nebenwirkungen ihres Produkts haftbar gemacht werden können. Generell wird der Impfstoff beim regulären Zulassungsverfahren etwas genauer geprüft. Wesentlich länger als die anderen Länder hat die EU mit diesem Weg nicht gebraucht. Die FDA hat in den USA am 11. Dezember die Notfallzulassung erteilt. Wenn man jedoch bedenkt, dass der limitierende Faktor am Anfang sowieso die verfügbare Anzahl an Impfdosen ist, und es sowieso 5 Wochen dauert bis der Impfschutz vollständig aufgebaut ist, dann machen diese zehn Tage keinen wirklichen Unterschied hinsichtlich der Durchimpfung der Bevölkerung. Obwohl wir natürlich alle ungeduldig warten, bis die Impfungen auch endlich in Europa losgehen. Ich persönlich bin aber sehr froh, dass die EU sich erstens einheitlich auf das Zulassungsverfahren der EMA geeinigt hat (ohne nationale Alleingänge), zweitens, dass wirklich eine reguläre Zulassung angestrebt wurde. Es soll nicht der Eindruck entstehen, dass durch ein beschleunigtes Verfahren keine sorgfältige Prüfung des Impfstoffes erfolgen würde. Trotzdem fragen sich viele: wie kann es denn sein, dass die Impfstoffentwicklung auf einmal so viel schneller vonstattengeht?

Prinzipiell lassen sich drei große Gründe für die schnelle Impfstoffentwicklung anführen.

1. mRNA als Impfstoff. Moderna hat wie gesagt nur zwei Tage benötigt, um ihren mRNA-Wirkstoff aus der Genomsequenz des Virus festzulegen. Ein Grund für die schnelle Entwicklung ist also, dass auf Technologie gebaut wird, die schon seit Jahrzehnten entwickelt wird. Es muss dann nur noch die RNA-Sequenz angepasst werden.

2. Enorme finanzielle Förderung. Durch die starke finanzielle Unterstützung der Impfstoffentwickler können viele Prozesse, die sonst aus wirtschaftlichen Überlegungen hintereinander ablaufen, parallel durchgeführt werden. Man kann z.B. schon mal eine Phase III Studie planen und in die Wege leiten, während die Phase I-Studie noch läuft. Hat eine Firma keinen Zeitdruck (und keinen finanziellen Anreiz), dann wird sie erst mal das Ergebnis der Phase I abwarten, um bei negativem Ergebnis nicht unnötig Geld in eine weitere Phase zu investieren, die nie durchgeführt werden wird. Aus dem gleichen Grund kann eine Phase II-Studie übersprungen werden: man kann direkt mit der sehr teuren Phase III-Studie weitermachen, die dann den definitiven Wirksamkeitsnachweis erbringt. So spart man zwar jede Menge Zeit, an der eigentlich relevanten Studie, die Wirksamkeit und Sicherheit zeigen soll, ändert sich aber gar nichts.

3. Rolling Review. Ein wesentlicher Grund für die lange Dauer der Impfstoffentwicklung ist, dass alle Schritte der Entwicklung und Herstellung der Impfung, und ihre gesamten Testungen in Studien von der Zulassungsbehörde (im Falle der EU ist das die EMA, in den USA die FDA) überprüft werden müssen. Es sollte nicht unterschätzt werden, wie viel Papier z.B. bei der Dokumentation einer klinischen Studie anfällt. Man kann da guten Gewissens von Aktenbergen reden. Diese strenge Dokumentationspflicht ist ein Resultat von Arzneimittelskandalen der Vergangenheit, wobei der bekannteste sicherlich der Contergan-Skandal war. Man hat hier also aus der Vergangenheit gelernt. Normalerweise werden die Unterlagen erst nach Abschluss der Studien bei der Zulassungsbehörde eingereicht. Da solche Behörden in der Regel auch nicht vor Personal platzen, sondern im Zweifelsfall auf Kante genäht sind, kann so eine Überprüfung eine lange Zeit benötigen. Bei den Corona-Impfstoffen kommt hingegen das sogenannte Rolling Review-Verfahren (“fortlaufende Überprüfung”) zum Einsatz. Da werden von Anfang an Unterlagen zwischen Impfstoffentwickler und Zulassungsbehörde ausgetauscht, so dass die Begutachtung schon währenddessen erfolgen kann. Beispielsweise steht der Herstellungsprozess des Impfstoffs schon lange fest (da auch schon vor Monaten mit der Produktion begonnen wurde, obwohl eine potentielle Zulassung noch in der Zukunft lag – hier sind wir wieder bei Punkt 2). Dieser Prozess, den die Zulassungsbehörde natürlich auch überprüft, konnte dann auch schon vor Monaten begutachtet werden.

Nicht vergessen darf man auch, dass die Zulassungsbehörden Vorgaben (und Empfehlungen) für das Design der klinischen Studien machen. Auch diese Kommunikation wurde für Corona-Impfungen priorisiert und kann dadurch deutlich schneller erfolgen. Die EMA hat hierfür die maximale Antwortzeit von normalerweise 40-70 Tagen auf maximal 20 Tage reduziert.

Es ist also durchaus möglich, den Prozess deutlich zu beschleunigen, ohne dabei an Sicherheit einzubüßen. Diesem Ziel hat sich die EMA auch klar verschrieben.

Phase IV: Überwachung

Die sogenannte Phase IV der Arzneimittelentwicklung bezeichnet die Überwachung des Medikamentes (oder in diesem Fall der Impfung) nach der Markteinführung. Dabei sollen insbesondere seltene Nebenwirkungen entdeckt werden, die man erst bemerken kann, wenn man statt Zehntausenden (wie in der Phase III-Zulassungsstudie) Millionen und letztlich sogar Milliarden Menschen impft.

Das große Problem dabei ist, dass die Kontrollgruppe fehlt. In einer randomisierten Doppelblindstudie finde ich heraus, ob eine Nebenwirkung durch die Impfung bedingt ist, indem ich die Häufigkeit dieser Nebenwirkung in der Verumgruppe (die die echte Impfung bekommen haben) mit der Häufigkeit in der Kontrollgruppe vergleiche. Beispielsweise hatten in der Pfizer/BioNTech-Studie beide Gruppen etwa gleich häufig von Durchfall berichtet. Die Schlussfolgerung ist klar: Der Durchfall hat nichts mit der Impfung zu tun, sondern trat unabhängig von der Impfung auf. Wenn ich 40.000 Menschen für mehrere Monate beobachte, dann haben natürlich auch einige davon Durchfall. Fehlt jetzt allerdings die Kontrollgruppe, dann ist die Interpretation schwierig. Ganz essentiell ist es hier (wieder einmal), nicht dem Post hoc ergo propter hoc-Fehlschluss zu erliegen! Nur weil etwas direkt nach der Impfung stattfindet, heißt es nicht, dass es aufgrund der Impfung stattfindet. Allein schon aufgrund des Patientenkollektivs, das wir zu Impfbeginn vornehmlich impfen werden (die Risikogruppen), werden einige kurz nach der Impfung sterben (oder nicht-letale Schlaganfälle / Herzinfarkte erleiden). Aber nicht unbedingt wegen der Impfung. Um hier herauszufinden, ob die Impfung ursächlich ist, muss man die “Hintergrundrate”, also die Häufigkeit eines Ereignisses (Tod, Schlaganfall oder Herzinfarkt) in einer Vergleichspopulation, die nicht geimpft wird, mit der Rate des Ereignisses in der Impfpopulation vergleichen. Nur wenn das Ereignis in der Impfgruppe deutlich häufiger auftritt als man aufgrund der Hintergrundrate erwarten würde, dann liegt ein kausaler Zusammenhang mit der Impfung nahe.

Ganz wichtig ist daher: in den nächsten Wochen und Monaten werden sich solche potentiellen und vermeintlichen Zusammenhängen vermehrt in den Medien lesen lassen. Das hat in den USA schon angefangen (s. unten verlinkt das Beispiel der vasovagalen Synkope). Bis diese Zusammenhänge aber von externen Wissenschaftlern oder den Zulassungsbehörden bestätigt wurden, gilt es, kühlen Kopf zu bewahren und nichts zu überstürzen. Die allermeisten solcher Berichte stellen sich später als falsch heraus.

Auf keinen Fall sollte aus solchen Berichten der Schluss gezogen werden, dass man sich nicht impfen lässt. Es wird jedoch vermutlich so sein (auch wenn sich echte Nebenwirkungen nachweisen lassen!), dass das Nutzen/Risiko-Verhältnis der Impfung immer noch deutlich positiv ist. Da wir bereits in der Zulassungsstudie mehr als 20.000 Menschen geimpft haben, ist es eigentlich sogar sehr klar, dass das Risiko einer Coronainfektion das der Impfung deutlich übersteigt. Denn wenn sich Nebenwirkungen zeigen, dann sind sie vermutlich so selten, dass sie gar nicht mehr das Corona-Risiko übersteigen können.

Das Nutzen/Risiko-Verhältnis lässt sich auf jeden Fall nur mittels sorgfältiger Statistik ermitteln, nicht durch persönliche Intuition. Unsere Intuition hat nämlich jede Menge relevante Biases. Zuerst mal können wir seltene Nebenwirkungen gar nicht richtig einschätzen. Ob etwas bei jeder 10.000. oder 10.000.000. Impfdosis auftritt, macht für unsere Intuition gar keinen Unterschied. Wir sehen da nur zwei große Zahlen. Dass Ersteres jedoch 1000-fach häufiger vorkommt, erkennen wir erst, wenn wir über unsere Intuition hinaus zur Mathematik greifen, und beide Zahlen mal durcheinander teilen. Ebenso haben wir eine natürliche Aversion, aktiv Risiken einzugehen. Passiv hingegen haben wir viel weniger Probleme mit Risiken. Wer würde sich heute noch mit den Pocken inokulieren lassen, mit einem etwa 1-3 %igen Risiko, daran zu sterben, wie das vor der Entwicklung der Pockenimpfung um 1800 herum für viele Jahrhunderte praktiziert wurde? Vermutlich niemand. Das war damals aber trotzdem enorm nützlich, denn das Risiko an den Pocken zu sterben lag bei ca. 30 %. Die Inokulation hat also eine deutliche Verbesserung gebracht, obwohl die Nebenwirkungsrate mit 1-3 % Letalität natürlich gigantisch hoch war. Trotzdem würden wir lieber passiv unser Glück versuchen, als aktiv mit der Inokulation die Würfel zu rollen, obwohl in Wirklichkeit nur das Nutzen/Risiko-Verhältnis wichtig ist.

Dieses Prinzip gilt übrigens überall in der Medizin. Wir ersetzen immer nur ein größeres Risiko durch ein kleineres. Antibiotika heilen zwar eine bakterielle Infektion, aber auch hier kann es zu allergischen Reaktionen können, bis hin zum Tod. Zytostatische Chemotherapien bei Krebserkrankungen haben starke Nebenwirkungen, sind aber verglichen mit einem malignen Tumor trotzdem das kleinere von zwei Übeln.

Eine andere Frage, die sich erst in der Phase IV klären wird, ist die, ob durch die Impfung auch die Verbreitung des Virus gestoppt wird. Die Phase III-Studie von BioNTech und Pfizer hat in dieser Hinsicht überhaupt keine Aussage treffen können (da sie nicht dafür designed wurde). Empirische Daten liegen also noch nicht vor. Trotzdem ist die Wahrscheinlichkeit, d.h. die biologische Plausibilität, ausgehend von den Beobachtungen bei anderen Impfungen sehr hoch. Experten wie Christian Drosten gehen daher davon aus, dass durch die Impfung auch die Verbreitung des Virus gestoppt wird. Zumindest sobald wir die Herdenimmunität von ca. 70 % erreicht haben. Auch gibt es erste Hinweise, dass auch CD4+-T-Zellen (also eine bestimmte Art von Immunzellen) durch die Impfung induziert werden, was dafür spricht, dass die Impfung eine sterilisierende Immunität induziert (d.h. die Replikation und damit die Verbreitung des Virus hemmt, nicht nur die Erkrankung verhindert). Edit (März 2020): Tatsächlich zeigen neuere Daten durchaus, dass die mRNA-Impfungen auch die Übertragung des Virus verhindern können, mit sehr hoher Effizienz.

Ebenso wird sich in der Phase IV erst klären, wie lange der Impfschutz denn anhalten wird. Auch werden die beiden Phase III-Studien noch zwei Jahre weiterlaufen, und diese Frage beantworten können. Wichtig ist, dass der Impfschutz mindestens ein Jahr anhält (und das sieht erst mal gut aus). In diesem Fall müssten wir dann jedes Jahr zusätzlich zur Grippeimpfung auch die gegen Corona erhalten. Das wäre etwas ärgerlich, aber wäre kein Dealbreaker für die Pandemiebekämpfung. Eventuell müssen wir den Impfschutz aber auch nur alle fünf oder zehn Jahre auffrischen. Oder noch seltener. Die Dauer des Impfschutzes werden wir im Laufe des nächsten Jahres vermutlich abschätzen können.

Derzeit wird viel über neue Corona-Varianten diskutiert (die englische und die südafrikanische Variante), für die es Hinweise auf eine bessere Übertragbarkeit gibt. Da sie Mutationen im Spike-Protein tragen, ist eine häufig Frage, ob die Impfungen auch gegen diese Mutanten wirken. Empirische Daten dazu fehlen, die biologische Plausibilität ist aber groß, dass der Impfschutz weiterhin gewährleistet wird. Erstens wird durch die Impfung eine ganze Reihe an verschiedenen Antikörpern generiert (eine polyklonale Antikörperantwort), die an unterschiedliche Epitope des Spike-Proteins binden. Wenn sich einige wenige jetzt durch Mutationen verändern, bleiben noch genügend andere übrig. Zweitens wird die zelluläre Immunantwort durch diese Mutationen vermutlich kaum eingeschränkt. Letztlich bleibt es abzuwarten, ob die Impfung gegen die Varianten wirklich genauso gut funktioniert, der Worst Case ist aber eine (vermutlich leichte) Reduktion der Impfeffizienz, und nicht ein völliger Verlust des Impfschutzes. Und in diesem Fall könnte man notfalls auch schnell die Sequenz der mRNA der Impfung anpassen, so dass auch gezielt die Varianten erkannt werden.

Nachdem wir all diese Punkte geklärt haben, was sind denn jetzt realistische Ängste rund um die Impfung, und was sind eindeutig Impfmythen? Fangen wir mit Letzterer Kategorie an:

Impfängste, die totaler Quatsch sind

Die Impfung gibt mir Corona! Bullshit. Die mRNA-Impfung ist ein Totimpfstoff. Der einzige Teil des Virus, der von der RNA kodiert wird, ist das Spike-Protein. Alle anderen Bestandteile fehlen. Es ist natürlich nicht ausgeschlossen, dass man sich kurz vor oder nach der Impfung zufällig auch mit SARS-CoV-2 infiziert. Das hat dann aber nichts mit der Impfung zu tun. Das gleiche Argument wir übrigens auch öfters bei der Grippe-Impfung angeführt. Auch das ist ein Totimpfstoff, der die Krankheit selber nicht hervorrufen kann. Was jedoch vorkommen kann, ist, dass die Symptome der Impfreaktion mit denen einer Infektion mit SARS-CoV-2 bzw. Influenzaviren verwechselt werden. Beide Male entstehen die unspezifischen Symptome (Kopfschmerzen, Fieber, Muskelschmerzen, Gelenkschmerzen, Müdigkeit, allgemeines Unwohlsein) durch die Immunreaktion des Körpers (auf das Virus oder den Impfstoff). Bei der Impfung sind sie aber i.d.R. deutlich kürzer und milder ausgeprägt.

Die mRNA-Impfung verändert mein Genom! Nein. Nur weil es eine “genetische” Impfung ist, bedeutet das nicht, dass sie mit dem menschlichen Genom interagiert und es verändert. Ich habe hier schon die Grundlagen erklärt, und Martin Moder geht hier auch auf diese Behauptung ein. Kurz zusammengefasst: RNA kann nicht einfach so unser Erbgut, das aus DNA besteht, verändern. Die Impf-RNA kommt noch nicht einmal mit unserer DNA im Zellkern in Berührung. Selbst wenn die RNA in unser Genom eingebaut werden würde (was sie nicht wird!) müsste das nicht unbedingt große Probleme machen. Selbst wenn es möglich wäre (was es nicht ist!), dann würde das gleiche Problem auch bei einer natürlichen Corona-Infektion (und allen anderen Infektionen mit RNA-Viren) auftreten. Und nochmal abstruser ist die Idee, dass solche genetischen Veränderungen unsere Keimbahn beeinflussen könnten. Belege für diese Behauptung gibt es nicht.

Nicht ganz unmöglich, wenn auch immer noch nicht sehr wahrscheinlich, ist diese Befürchtung übrigens bei DNA-Impfstoffen. Das ist ein Grund (von vielen), wieso RNA-Impfstoffe bevorzugt werden.

Die Impfung ist gentechnisch hergestellt und daher gefährlich. Ja, die Impfung ist Teil dessen, was man “Gentechnik” nennt (je nach Definition ist das ein enorm weiter Begriff). Aber nein, Gentechnik ist nichts prinzipiell Schlimmes. Im Gegenteil, gerade im Bereich der Medizin gibt es enorm viele geniale Entwicklungen, die unter diesen Begriff fallen. Mittlerweile muss Insulin beispielsweise nicht mehr aufwendig aus Rinderpankreas aufgereinigt werden, sondern kann effizient von Pilzen synthetisiert werden. Das hat vielen Diabetikern das Leben gerettet. Aktuell gibt es viele klinische Studien, die versuchen, diverse genetische Erkrankungen zu heilen, die bisher zum frühen Tod oder lebenslanger Behinderung führen. Das wird definitiv mal ein zukünftiger Post. Aber auch das ist “Gentechnik”. Bevor ich jetzt zu sehr abschweife, halten wir fest: Gentechnik ist weder prinzipiell gut noch schlecht. Es ist erst mal nur eine (mehr oder weniger) neue Technologie. Sie birgt jedoch enormes Potenzial, z.B. die Entwicklung von mRNA-Impfstoffen. Das Für und Wider muss aber für jede Applikation separat bestimmt werden. Ein Argument im Sinne von “das ist Gentechnik, und damit automatisch schlecht” ist einfach nur Blödsinn. Kein denkender Mensch kann Insulin für Diabetiker für schlecht halten, nur weil es gentechnisch hergestellt wird.

Impfungen verursachen Autismus. Bullshit. Diese (vollkommen unwahre) Behauptung geht auf Andrew Wakefield zurück, der in den 1990ern eine Studie gefälscht hat, die diesen Zusammenhang belegen sollte. Seit diesem infamen Artikel im Journal The Lancet gab es unzählige Studien, die den Zusammenhang überprüft haben. Die methodisch guten Studien haben keinerlei Hinweis für einen kausalen Zusammenhang gefunden (z.B. hier oder hier zusammengefasst). Das ist auch nicht weiter verwunderlich, wenn sich doch in den letzten Jahren immer mehr die Evidenz anhäuft, dass Autismus zu einem guten Teil genetisch bedingt ist, und schon nachweisbar ist, bevor ein Säugling überhaupt mit Impfungen in Kontakt kommt. Die “Impfungen verursachen Autismus”-Lüge hält sich jedoch hartnäckig, und war sicherlich ein großer Faktor, wieso Impfraten für viele Erkrankungen, allen voran die Masern, so weit gefallen sind, dass wir mittlerweile wieder hunderte Masernfälle jedes Jahr in Deutschland haben, an denen auch einzelne Kinder sterben. Die ganze Thematik hat einen eigenen, ausführlichen Blogpost verdient, aber für die Corona-Impfstoffe gilt: Auch hier wird der Impfstoff keinen Autismus verursachen. Nicht zuletzt, da aktuell sowieso erst ab einem Alter von 16 Jahren geimpft werden soll.

Die Corona-Impfungen verursachen Unfruchtbarkeit bei Frauen! Nein. Für eine ausführliche Erklärung kann ich dieses Video von Martin Moder empfehlen, den ich schon mal im Blog erwähnt habe. Kurz zusammengefasst: Es kursiert die Behauptung (ohne jegliche Evidenz), dass eine Ähnlichkeit zwischen dem Spikeprotein des Coronavirus und einem menschlichen Protein, dem Syncytin-1, dazu führen könnte, dass Frauen durch die Impfung unfruchtbar werden. Syncytin-1 wird nämlich benötigt, um eine Plazenta aufzubauen, und ist damit essentiell für eine Schwangerschaft. Durch Kreuzreaktion soll es nun dazu kommen, dass die Antikörper, die gegen das Spikeprotein gebildet werden, auch gegen Syncytin-1 wirken und so eine Schwangerschaft unmöglich machen. Es gibt jede Menge Probleme mit diesem Argument. Das erste: Die Ähnlichkeit zwischen den beiden Proteinen ist nicht größer als die zwischen quasi allen anderen Proteinen des menschlichen Körpers und dem SARS-CoV-2-Spikeprotein. Es geht hier um Ähnlichkeiten weniger aufeinanderfolgender Aminosäuren. Solche Ähnlichkeiten sind schon aus statistischen Gründen bei zwei beliebigen Proteinen zu erwarten, nicht zuletzt, da das Spikeprotein ein recht großes Protein ist. Das zweite: Wie im nächsten Abschnitt zu Autoimmunität beschrieben, würde so ein Phänomen auch bei der natürlichen Infektion auftreten können, wenn es die postulierte Ähnlichkeit zwischen den Proteinen denn gäbe. Das dritte: Solch ein Phänomen hätte man in den klinischen Studien der Impfungen und nach den Millionen überstandenen Infektionen daher auch schon lange bemerkt.

Sowohl die biologische Plausibilität als auch die empirische Evidenz fehlen also. Die Corona-Impfungen interferieren nicht mit unserer Fruchtbarkeit. Dass Impfungen die Fruchtbarkeit einschränken ist übrigens kein neuer Mythos, sondern wurde schon über zahlreiche frühere Vakzine verbreitet. Nicht zuletzt wurde dieses Gerücht Anfang der 2000er in Nigeria über die Polioimpfung verbreitet, was die Eradikation dieser scheußlichen Erkrankung in Afrika um viele Jahre verzögert hat. Erst dieses Jahr wurde Afrika offiziell von der WHO für Polio-frei erklärt. Eine große Errungenschaft, die durch Impfmythen fast verhindert werden. Impfmythen sind nicht harmlos, sondern brandgefährlich!

Umso wichtiger, Impfmythen klar von (potentiell) berechtigten Impfängsten abzugrenzen, und sich nicht von Ersteren verunsichern zu lassen. Im nächsten Kapitel geht es um Nebenwirkungen, die theoretisch denkbar sind, und auf die wir in klinischen Studien zu Impfungen besonders achten.

Impfängste, die berechtigt sein können.

Autoimmunität. Die wichtige Nebenwirkung, nach der man bei Impfungen schauen muss, ist Autoimmunität, d.h. eine Reaktion des Immunsystems gegen den eigenen Körper. Im Gegensatz zu den oben aufgelisteten blödsinnigen Bedenken, die biologisch hochgradig unplausibel sind und/oder empirisch nie belegt werden konnten, ist es nicht undenkbar, dass eine Impfung eine Autoimmunerkrankung auslösen könnte. Schließlich stimulieren wir mit der Impfung eine Immunreaktion gegen ein bestimmtes Antigen des Virus. Sieht eine körpereigene Struktur (wie etwa ein Oberflächenprotein) ähnlich aus wie das Virusantigen, dann könnte es sein, dass z.B. die Antikörper jetzt auch gegen das körpereigene Antigen wirken, und so Zellen schädigen. Dieser Mechanismus wird molekulare Mimikry genannt. Tatsächlich wird bei vielen Autoimmunerkrankungen eine vorhergegangene Infektion als Auslöser vermutet.

Eine solcher Nebenwirkungen, die für die neue Corona-Impfung diskutiert wird, ist die Fazialisparese. Der Nervus facialis (“Gesichtsnerv”, gleichzeitig der 7. Hirnnerv) innerviert die mimische Muskulatur des Gesichts. Bei der Fazialisparese fällt dieser Nerv recht plötzlich aus. Die Betroffenen können dann z.B. nicht mehr richtig lächeln oder die Augen zusammenkneifen. Oft verursacht das einen ziemlichen Schock, da man die Fazialisparese gerne mal mit einem Schlaganfall verwechselt. Die Fazialisparese ist aber “harmlos”, in dem Sinne, dass sie sich im Laufe von Monaten wieder spontan zurückbildet. Der Auslöser ist in den meisten Fällen unklar, aber vermutlich ist eine (ggf. autoimmun bedingte) Entzündung an der Durchtrittsstelle des Nerven durch den Schädel (ist schließlich ein Hirnnerv) ursächlich. In den Studien zu den Impfstoffen von Moderna und Pfizer/BioNTech traten insgesamt 8 Fälle von Fazialisparese auf. Davon war einer in der Kontrollgruppe, die anderen sieben in der Verumgruppe. Die Inzidenz (Häufigkeit des Auftretens) in den beiden Studien war jedoch nicht wesentlich höher als die Hintergrundinzidenz von 1-4 pro 10.000 Menschen pro Jahr. Aktuell sieht es also nicht danach aus, dass die Fazialisparese eine echte Nebenwirkung der Impfung ist, wobei die Daten zumindest ein wenig in die Richtung zeigen. Ob sich dieser Verdacht bestätigt, wird sich in den nächsten Monaten zeigen. Sorgen würde ich mir darüber aber nicht machen.

Zwei weitere Aspekte sind beim Thema Autoimmunität wichtig zu bedenken. Erstens ist es gut möglich, dass, wenn eine Impfung mit einem Virusprotein als Nebenwirkung ein Autoimmunphänomen bewirkt, dieses auch bei einer echten Infektion mit dem Virus auftreten würde. Wir bedenken, dass eine Impfung eben einen Teil der Virusinfektion simuliert, dieser Teil aber natürlich auch bei einer echten Virusinfektion abläuft. Man hat also eventuell das Problem, sowohl nach der Impfung als auch nach der Infektion Autoimmunität auftreten kann. Zweitens muss man trotzdem immer das Nutzen/Risiko-Verhältnis betrachten. Nach der Schweinegrippe-Impfung 2009 in Schweden gab es vermehrt Fälle von Narkolepsie (auch eine Autoimmunerkrankung). Jedoch trat Narkolepsie in Asien auch nach der Schweinegrippe selber auf, nicht jedoch im Zusammenhang mit der Impfung. Die Daten sind also etwas unklar, und in einem zukünftigen Post werde ich sie genauer beschreiben. Aber auch wenn die vermutlich impfbedingten Narkolepsiefälle in Schweden bedauernswert sind (und ein anderer Impfstoff ohne diese Nebenwirkung natürlich besser ist), dann war der Nutzen der Impfung immer noch größer als ihre Risiken, da die Narkolepsie eben doch eine sehr seltene Nebenwirkung war (etwa 1:20.000). Ich betone noch einmal: Der entscheidende Faktor, um eine Impfung zu empfehlen oder nicht, ist das Nutzen/Risiko-Verhältnis.

Insgesamt ist Autoimmunität als Nebenwirkung der mRNA-Corona-Impfungen trotzdem als unwahrscheinlich zu bewerten. Signifikante Ähnlichkeiten mit dem SARS-CoV-2-Spikeproteins hat kein menschliches Protein (auch nicht Syncytin-1!). Bei Impfungen generell gab es außer der wenigen genannten Narkolepsie-Fälle bei einer Influenza-Impfung (von vielen) nur sehr selten Autoimmunitätsphänomene. Und selbst wenn sich nach der Impfung beispielsweise Autoantikörper nachweisen ließen (was nicht der Fall ist. Konjunktiv!), dann führt auch das alleine noch nicht zu einer Autoimmunerkrankung. Denn das Immunsystem hat mehrere Mechanismen, um Autoimmunität zu verhindern. Und wenn Autoimmunität auftritt, dann würde man sie am wahrscheinlichsten kurz nach der Impfung erkennen, und damit schon im Rahmen der Phase III-Studien. Als Komplikation, die erst lange Zeit nach der Impfung auftritt, ist Autoimmunität schwer denkbar, denn mit der Zeit nimmt eine impfungsinduzierte Immunantwort ab, und nicht zu.

Allergische Reaktionen. Wie bei jeder Impfung können auch bei mRNA-Impfstoffen allergische Reaktionen möglich sein. Zu Beginn der Impfungen in den USA ging eine Meldung über eine allergische Reaktion bei einer medizinischen Mitarbeiterin in Alaska durch die Medien. Zehn Minuten nach der Impfung entwickelte sie Symptome einer allergischen Reaktion, die bis zu Herzrasen und Dyspnoe gingen. Durch die Behandlung mit Adrenalin konnten die Symptome gut unter Kontrolle gebracht werden. Sie verblieb zur Überwachung eine Nacht im Krankenhaus und konnte am nächsten Tag symptomfrei entlassen werden. Wie häufig solche Reaktionen bei den beiden neuen mRNA-Impfungen sind bleibt abzuwarten. Bei der HPV-Impfung liegt die Häufigkeit bei etwa 2 pro 1 Millionen Impfdosen. Eine ähnliche Rate findet sich bei anderen Impfungen. Nicht jeder Fall ist allerdings gefährlich, und die meisten können durch eine entsprechende Behandlung gut kontrolliert werden. Wichtig ist hier eben auch eine Überwachung für 15-30 Minuten nach der Impfung.

Anfang Januar 2021 hat die CDC (Center for Disease Control, die amerikanische Seuchenschutzbehörde) eine Studie zu Anaphylaxie durch die BioNTech/Pfizer-Impfung veröffentlicht. Anaphylaxie ist dabei eine allergische Reaktion, die zu systemischen (und damit potentiell lebensbedrohlichen) Symptomen führt. Das kann zum Beispiel ein Ausschlag am ganzen Körper, Übelkeit oder Atemnot sein. Untersucht wurden knapp zwei Millionen Impfungen, bei denen 21 Fälle von Anaphylaxie vorkamen, also etwa eine Häufigkeit von 1 pro 100.000 Impfungen. Die meisten (17) der Betroffenen hatten eine Vorgeschichte von allergischen Reaktionen, sieben sogar schon mal eine Anaphylaxie. Bei 15 trat die Reaktion innerhalb von 15 Minuten ein, bei 3 weiteren innerhalb von insgesamt 30 Minuten; anders gesagt, trat die Reaktion nur bei 3 Patienten später als 30 Minuten auf (maximal 150 Minuten später). Mit einer Nachbeobachtungszeit von 30 Minuten hätte man also die meisten Fälle “erwischt”. 4 der Patienten mussten ins Krankenhaus eingewiesen werden. 20 haben Adrenalin bekommen. Es gab keinen Todesfall oder bleibende Schäden. Es ist also – wie erwartet – eine sehr seltene Nebenwirkung, die man entsprechend gut behandeln kann, auch wenn ein Behandlung im Krankenhaus nötig werden kann.

Vasovagale Synkopen. Eine vasovagale Synkope bezeichnet eine kurze Episode von Schwindel mit anschließendem Bewusstseinsverlust nach einer emotionalem Stresssituation, bei Schmerzen oder z.B. auch dem Anblick von Blut. Sie ist vermutlich ein Relikt unserer Evolution und analog zur Totstellreaktion, die wir von manchen Tieren kennen. Sie tritt häufiger bei Frauen und bei Kindern und insb. Jugendlichen auf. Bis auf Verletzungen durch den Sturz sind sie völlig harmlos. Dass sie bei Impfungen vorkommen können ist nichts besonderes. Um besagte sturzbedingte Verletzungen zu vermeiden sollte man nach einer Impfung noch etwa 15 Minuten im Arztzimmer (bzw. Impfzentrum) beobachtet werden. Die Häufigkeit liegt laut dieser Untersuchung durch das amerikanische CDC bei etwa 0,5 pro 1 Millionen Impfdosen; welche Impfung gegeben wird ist dabei jedoch irrelevant. Das belegt auch gleichzeitig, dass es sich nicht um eine spezifische Impfnebenwirkung handelt, sondern einfach nur auf eine Reaktion auf die Nadel oder den Schmerz an der Einstichstelle.

Wer jedoch sehen will, wie Impfgegner (treffender als “Seuchenbefürworter” bezeichnet) eine harmlose Episode einer vasovagalen Synkope einer Krankenschwester dazu verwenden, um die neue Covid-Impfung zu dämonisieren, der liest sich diesen Artikel von David Gorski auf Science-Based Medicine durch.

Langzeitfolgen. Oft angesprochen werden Ängste vor den langfristigen Auswirkungen der Impfung. Wie schon erwähnt, treten die meisten Nebenwirkungen innerhalb von sechs Wochen nach der Impfung auf. Das macht auch Sinn, denn die wahrscheinlichste Nebenwirkung sind eben Autoimmunerkrankungen und allergische Reaktionen. Man sollte Langzeitfolgen nicht als “tritt erst viele Jahre nach der Impfung auf” verstehen (das passiert eigentlich nicht), sondern als “verursacht dauerhafte Probleme”. Auch die erwähnten Fälle von Narkolepsie nach der Pandemrix-Influenzaimpfung sind schon einige Wochen nach der Impfung aufgetreten. Mehr Informationen hier.

Viele Menschen äußern Ängste, die sich darauf beziehen, dass mRNA-Impfungen als solche noch gar nicht untersucht seien. So neu sind diese jedoch auch nicht, auch wenn mit den beiden Corona-Impfungen jetzt die ersten mRNA-Impfungen zugelassen werden. Sicherheitsdaten aus klinischen Studien von mRNA-Impfungen finden sich jedoch schon seit 2013.

Aber natürlich sind auch Langzeitfolgen durch diese Impfung prinzipiell möglich. Nicht vergessen darf man jedoch, dass es auch durch eine SARS-CoV-2-Infektion selbst zu Langzeitfolgen kommen kann. Das Risiko von Langzeitfolgen durch die Infektion ist also deutlich höher als durch die Impfung, wenn sie denn bei der Impfung überhaupt auftreten.

Conclusio

Abschließend lässt sich also sagen, dass man vor mRNA-Impfungen keine Angst haben sollte. Die Studiendaten sehen exzellent aus, und das Nutzen/Risiko-Verhältnis ist deutlich positiv. Mit diesen Impfstoffen haben wir ein Mittel zur Hand, mit dem wir diese Pandemie effektiv und dauerhaft bewältigen können, und in einem Jahr hoffentlich wieder einen “normalen” Winter erleben. Und für die nächste Pandemie (die kommen wird, auch wenn wir nicht vorhersagen können, wann) wissen wir, dass mittels mRNA-Technologie schnell effektive Impfungen entwickelt werden können. Ich für meinen Teil freue mich darauf, in den nächsten Monaten hoffentlich bald selber geimpft zu werden.


1: Es heißt das Virus. “Der” Virus mag in der Informatik okay sein, wenn es um Computerviren geht. Aber in der Biologie sagen wir das Virus. Da bin ich pedantisch.

Quellen:

Changelog:

  • 28.12.20:
    • einige kleinere Formulierungen geändert, und ein paar Infos zum Thema Autoimmunität und Langzeitfolgen ergänzt
    • Quellen ergänzt (soweit nicht eh schon verlinkt)
  • 31.12.20:
    • Ergebnisse der Moderna-Studie eingefügt
  • 02.01.21:
    • Abschnitt zum Impfmythos “Infertilität durch Impfungen” hinzugefügt
    • einige kleine Formulierungen abgeändert / ergänzt
  • 05.01.21:
    • Abschnitt zu den “Langzeitfolgen” ergänzt
    • einige Formulierungen angepasst
  • 07.01.21:
    • Zulassung des Moderna-Impfstoffes eingefügt
    • Abschnitt zum Impfschutz bei den neuen Corona-Varianten
  • 13.01.21:
    • Studie der CDC zu allergischen Reaktionen ergänzt
  • 11.03.21:
    • Kurze Ergänzung zu neuen Daten über die Verhinderung der Virusübertragung durch die Impfung

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert