Durch die Medien ziehen Berichte über eine angeblich sehr wirksame Impfung gegen Malaria. Eine solche wäre tatsächlich ein enormer wissenschaftlicher Durchbruch, denn an der Malaria beißen sich Wissenschaftler schon seit vielen Jahrzehnten die Zähne aus. Schauen wir uns also an, was für eine Studie durchgeführt wurde und wie sie zu bewerten ist. Zunächst aber müssen wir erklären: Was ist denn die Malaria eigentlich genau?
Schlechte Luft
Die Malaria ist, auch wenn sie in Deutschland eher selten vorkommt, weltweit und historisch betrachtet eine der tödlichsten Infektionskrankheiten überhaupt. Aktuell sterben weltweit jährlich etwa zwei- bis dreifach mehr Menschen an Malaria als in bewaffneten Konflikten. Verursacht wird sie von einzelligen Parasiten, den Plasmodien. Es gibt mehrere Spezies, Plasmodium falciparum und Plasmodium vivax sind dabei die wichtigsten. Übertragen wird dieser Erreger durch die weiblichen Anopheles-Mücken, die hauptsächlich in warmen, tropischen Gebieten vorkommen. Am stärksten ist Afrika betroffen, aber auch in Mittel- und Sådamerika, dem Nahen Osten und Südostasien findet sich die Malaria.
Der Name kommt übrigens aus dem Italienischen, denn früher glaubt man, dass schlechte Luft (it. mal’aria) aus Sümpfen für die Erkrankung verantwortlich wäre – denn zu dieser Zeit hatte man noch keine Ahnung von Mikroorganismen als Krankheitserreger. Viele Infektionskrankheiten – und so eben auch die Malaria – wurden durch das Vorkommen sog. Miasmen erklärt, bis die moderne Medizin Bakterien, Viren, Pilze und einzellige Parasiten als Ursachen übertragbarer Krankheiten ausmachen konnte.
Der Schweregrad einer Malaria-Erkrankung kann von asymptomatisch bis lebensgefährlich reichen. Durch die Injektion der Plasmodien in den menschlichen Organismus durch die Stechmücke gelangen diese über die Lymphe zunächst in die Leber, wo sie sich rasant vermehren. Dann infizieren und zerstören sie rote Blutzellen (Erythrozyten), und zwar – zumindest bei einigen Plasmodien-Spezies – synchron, so dass sie alle gleichzeitig freigesetzt werden. Dies geschieht in Zyklen, und daher kann bei der Malaria auch das Fieber zyklisch auftreten (z.B. alle 48 oder 72 Stunden). Durch die massenweise Zerstörung von Erythrozyten fehlt dem Blut die Möglichkeit, genügend Sauerstoff in die Organe zu transportieren. Zusätzlich sind infizierte Erythrozyten starrer und weniger verformbar, was dazu führt, dass sie nicht mehr durch Kapillaren (die kleinsten Blutgefäße des Körpers) passen und diese so verstopfen, was u.a. die Nieren, Lungen und das Gehirn schädigen kann.
Am stärksten betroffen von der Erkrankung sind Kinder (und z.B. Schwangere). Nach der Geburt verliert ein Säugling den Immunschutz, den er von seiner Mutter mitbekommen hat. Die ersten Plasmodien-Infektionen nach dem Verlust dieses sog. Nestschutzes (etwa sechs Monate nach Geburt) treffen daher auf ein naives, d.h. unvorbereitetes Immunsystem, das noch keinen Kontakt mit dem Erreger hatte. Es resultieren vermehrt schwere Verläufe und auch Todesfälle. Werden diese ersten Infektionen überstanden, entwickelt sich mit der Zeit durch immer wiederkehrende Infektionen eine Immunität oder zumindest eine Resistenz gegenüber dem Erreger.
Um der Malaria vorzubeugen, gibt es grob zwei Möglichkeiten. Einerseits kann man den die Vektorpopulation, also das “Vehikel” des Parasiten (in diesem Fall die Anopheles-Mücke), beispielsweise durch großflächigen Einsatz von Insektiziden kontrollieren. Dazu wurde historisch das Insektizid DDT verwendet, das jedoch aufgrund von Umweltschäden auch zu ganz anderen Problemen geführt hat. Gegen die Anophelesmücken war der Einsatz von DDT jedoch teilweise so effizient, dass damit Gebiete komplett von der Malaria befreit werden konnten – teilweise bis heute. Neben den Umweltschäden waren jedoch auch Resistenzen der Mücken gegen DDT ein Problem. Heute ist der Einsatz von DDT in der Landwirtschaft international verboten, und der Einsatz als Malariaprophylaxe deutlich zurückgegangen und auch umstritten.
Auch andere Möglichkeiten, den Vektor zu vernichten wurden (und werden) ausgenutzt, beispielsweise indem Sümpfe ausgetrocknet werden, in denen die Anopheles-Mücken brüten. Im Kampf gegen die Malaria werden ganze Landschaften terrageformt und Ökosysteme vernichtet – so weit geht der Mensch, um sich vor dieser übeln Krankheit zu schützen. Seit kurzem werden auch gentechnisch modifizierte Anopheles-Mücken verwendet, die ein Transgen tragen, das die Fortpflanzungsfähigkeit der Folgegenerationen einschränkt, um so die Populationen dieser Mücken deutlich zu reduzieren – ohne großflächig Insektizide einzusetzen, die auch viele andere, mitunter nützliche Insekten abtöten. Hier findet aber aktuell noch viel in einem Forschungs-Setting statt, insbesondere um die Auswirkungen dieser gentechnisch veränderten Mücken auf die Umwelt besser zu verstehen.
Die zweite Möglichkeit ist eine Impfung. An Malariaimpfungen wird schon lange geforscht, aber trotzdem ist aktuell keine einzige kommerziell verfügbar. Jedoch macht in letzter Zeit eine Phase II-Studie die Runde, die eine bisher unerreichte Wirksamkeit zeigen soll und so Hoffnung gibt, den Kampf gegen die “schlechte Luft” doch noch gewinnen zu können. Neben dieser Impfung finden sich reihenweise weitere mögliche Impfstoff in der Forschungspipeline, die auf unterschiedlichste Weisen wirken. Es besteht also berechtigte Hoffnung, auf diesem Gebiet in Zukunft noch weitere gute Nachrichten zu erhalten. Trotzdem gab es bis jetzt mehr als 100 Impfstoffkandidaten, von denen keiner ausreichend wirksam war für eine flächendeckende Anwendung.
Die Impfstudie
Über klinische Studien allgemein und Impfstudien im Speziellen habe ich bereits hier und hier geschrieben, wer mit dem ein oder anderen Begriff nichts anfangen kann, könnte sich diese beiden Posts nochmal als Auffrischung durchlesen.
Die Studie trägt den Titel “High Efficacy of a Low Dose Candidate Malaria Vaccine, R21 in 1 Adjuvant Matrix-M™, with Seasonal Administration to Children in Burkina Faso” und ist als Preprint erschienen, soll aber in The Lancet veröffentlicht werden, einem der renommiertesten medizinischen Wissenschaftsjournale. Ein Preprint ist eine wissenschaftliche Studie, die noch nicht von Fachkollegen begutachtet wurde (im sog. Peer-Review), aber trotzdem schon veröffentlicht wurde. Seit Corona sind Preprints irgendwie “normal” geworden, aber für Themen außerhalb einer naturgemäß sehr dynamischen Pandemie sollte man eigentlich eher Abstand von Preprints halten. Denn das Peer-Review gibt es aus einem guten Grund und es ist ein wichtiges Gütekriterium einer wissenschaftlichen Studie. Neben der Studie als Preprint gibt es auch noch eine Pressemitteilung.
Wie dem aus sei, was wurde denn untersucht? Es ist eine klinische Phase 2-Studie eines neuen Malariaimpfstoffs, der R21/Matrix-M genannt wird. Phase 2-Studien sind die ersten Studien, die placebokontrolliert sind und auch erste Aussagen über die Effektivität der untersuchten Behandlung geben. Sie gelten aber nicht als definitiver Wirkungsbeweis, das wäre dann erst die abgeschlossene Phase 3-Studie, in der deutlich mehr Patienten untersucht werden (und auch eine solche Studie ist natürlich nie endgültig).
Die Studie wurde in Burkina Faso (einem Land in Westafrika) durchgeführt. Es gab drei Studienarme: zwei Gruppen, die den neuen Impfstoff jeweils mit einer hohen oder einer niedrigen Dosis eines Adjuvans (Impfverstärker) bekommen haben, und einer Kontrollgruppe, die eine Impfung gegen Rabies erhalten haben. Eine Placebokontrolle wäre hier eher ungeeignet, da man sonst anhand der Impfreaktion (Schmerzen an der Einstichstelle, ggf. etwas Fieber oder ein Krankheitsgefühl) recht gut sagen könnte, in welcher Gruppe man sich befindet (und die Verblindung damit aufgehoben wäre). Untersucht wurden 450 Kinder Im Alter von 5-17 Monaten, also genau die vulnerable Gruppe, die am häufigsten schwer an Malaria erkranken. Es war eine Impfserie von drei Injektionen kurz nacheinander, und einer Booster-Injektion nach einem Jahr. Die Studie berichtet jetzt über die Ergebnisse ein Jahr nach Impfbeginn; die Daten darüber, was die Boosterimpfung denn nutzt oder nicht, werden natürlich erst später veröffentlicht werden (denn die Studie wird noch eine ganze Zeit weitergehen).
Im beobachteten Zeitraum von einem Jahr erkrankten 34 bzw. 27 % der Kinder in den beiden Verumgruppen an klinischer Malaria (im Gegensatz zu asymptomatischer Malaria), verglichen mit 72 % der Kinder in der Kontrollgruppe. Die Unterschiede zwischen Verum- und Kontrollgruppe waren statistisch hochsignifikant (p<0,0001). Daraus kann man zwei Dinge ablesen: Die Impfung hat definitiv einen Nutzen, bietet aber keineswegs 100 %igen Schutz, und Malaria ist in Burkina Faso eben enorm häufig: In der Kontrollgruppe (die wie alle drei Gruppen auch Moskitonetze und andere Standard-Prophylaxemaßnahmen traf) haben sich in nur einem Jahr ein Großteil der Kinder infiziert! Wenn man die Effektivität der Impfung berechnet, kommt man auf einen Wert von ca. 75 %, was einer Schwelle entspricht, die von der WHO festgelegt wurde, die eine Malariaimpfung erreichen sollte.
Milde Impfreaktionen traten zwar ein (wie bei allen Impfungen); schwere Nebenwirkungen, die in einem Zusammenhang zur Impfung standen, gab es keine. Es gab keine Information in der Studie, inwiefern die geimpften, aber dennoch erkrankten Kinder einen milderen Verlauf als die ungeimpften Kinder hatten. Ob es Todesfälle gab wurde ebenfalls nicht erwähnt.
Conclusio
Nach langer Zeit hat ein neuer Malaria-Impfstoff die von der WHO gewünscht Effektivität von ca. 75 % erreicht. Auch wenn eine vollständige Prävention der Malaria damit nicht möglich wäre, könnte hierdurch ein enormer Segen für die Kinder in Malaria-Risikogebieten entstehen. Voraussetzung dafür ist, dass diese Ergebnisse so auch in der größeren Phase 3-Studie repliziert werden, die schon geplant ist und auch in weiteren afrikanischen Ländern durchgeführt werden soll. Zusätzlich wird sich dann auch zeigen, ob bei mehr Geimpften auch seltenere Nebenwirkungen auftreten, und inwiefern die Impfung vor schweren Verläufen und Tod schützt. Diese Studie macht auf jeden Fall große Hoffnung! Doch müssen wir noch etwas abwarten, ob sich diese Erkenntnisse wirklich auch in einer größeren Studie replizieren lassen.
Quellen:
- Phillips et al. Malaria. 2017 Nature Reviews Disease Primers.