Akupunktur, Teil 1 – Was ist eigentlich Akupunktur?

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Aufgrund von Zeitmangel schaffe ich es diese Woche nicht, den dritten Teil zur Influenza fertig zu schreiben. Daher beginne ich schon eine Woche früher als geplant mit der neuen Serie zur Akupunktur, die ich schon länger vorbereitet habe. Den letzten Influenza-Post versuche ich diesen Monat noch nachzureichen.

Akupunktur ist eine Form von Pseudomedizin1, und Teil der traditionellen chinesischen Medizin (TCM). Wohingegen andere Teile der TCM, wie beispielsweise Kräuterheilkunde, in Europa und Nordamerika eher weniger verbreitet sind, hat die Akupunktur mittlerweile vielerorts Einzug gehalten in die klinische Medizin in Krankenhäusern, Arztpraxen und auch Universitäten. Als Medizinstudent findet man die Akupunktur in seinen Skripten gelegentlich direkt neben evidenzbasierten Maßnahmen stehen. Die Landesärztekammern bieten Zusatz-Weiterbildungen in Akupunktur an. Es scheint, Akupunktur sei eine Therapie wie jede andere auch. Bewiesen und wissenschaftlich. Die Realität sieht jedoch anders aus: eine kritische Betrachtung der Literatur zeigt keine überzeugende Evidenz für die Wirksamkeit von Akupunktur.

Über diesen Nachweis soll es im Folgenden gehen. Um die Wirksamkeit einer medizinischen Intervention zu beurteilen, muss man sich der wissenschaftliche Studienlage zu diesem Thema annehmen. Wohingegen es reihenweise positive Erfahrungs- und Fallberichte gibt (z.B. hier), nach denen die Akupunktur ein reines Wundermittel ist, steht diesen eine spärliche und insgesamt wenig überzeugende klinische Evidenz gegenüber, gekoppelt mit einer niedrigen A priori-Wahrscheinlichkeit. Wieso letzteren die entscheidenden Kriterien sind, Anekdoten keinen Rückschluss auf die Wirksamkeit einer medizinischen Intervention zulassen, und was überhaupt mit A priori-Wahrscheinlichkeiten gemeint ist, werde ich in dieser Artikelserie erklären. Zunächst einmal aber müssen wir beschreiben, was Akupunktur eigentlich ist.

Lebensenergie, Leitungsbahnen, und Embryonen im Ohr – die Theorie hinter der Akupunktur

Akupunktur ist den meisten als “diese feinen Nadeln” bekannt, die man durch die Haut sticht um Krankheiten zu behandeln und Symptome zu lindern. Der theoretische Hintergrund ist die Annahme der TCM, dass es das Qi (gespr. “Tschi”) gibt, das durch den Körper (und das gesamte Universum) fließt und dessen Funktion und Gesundheit beeinflusst. Qi wird oft als “Lebensenergie” übersetzt, was dem Begriff aber wohl nicht ganz gerecht wird. Qi aus der Luft und Qi aus der Nahrung verbinden sich und bilden das menschliche Qi. Das Qi fließt jedoch nicht frei, sondern entlang sog. Meridiane, d.h. entlang vordefinierter Bahnen durch den menschlichen Körper. Kommt es zur Blockade eines Meridians, und damit des Qis, führt dies zu manchen oder – je nachdem wie extrem der Lehre angehangen wird – gar allen Krankheiten, die den Menschen so befallen können. Durch das Einbringen einer Akupunkturnadel in einen Akupunkturpunkt (kurz Akupunkt), die an definierten Stellen dieser Meridiane postuliert werden, soll die Blockade aufgelöst werden und Krankheiten so behandelt werden können. Dabei kann die Lokalisation von Pathologie und Akupunkturpunkt weit entfernt sein. Übelkeit kann man z.B. durch einen Akupunkturpunkt am Handgelenk behandeln (Pericardium 6), da Übelkeit dem Perikard-Meridian zugewiesen ist. Die Nadeln werden häufig über einige Zeit belassen, z.B. 20 Minuten. Eine bestimmte Sensation am Einstichpunkt, De Qi genannt, wird u.a. als “elektrisierend”, “Schwere- oder Druckgefühl”, “Wundheit” oder “Fülle” beschrieben. Aber auch Schmerz, Kälte, Wärme, und Kitzeln können ein De Qi anzeigen. De Qi deutet auf eine besonders gute therapeutische Wirkung hin. Manchmal kann ein Akupunkteur auch versuchen, ein De Qi durch das Manipulieren der Nadel auszulösen. Es kann auch vom Akupunkteur selber beim Berühren der Nadel gespürt werden.

Meridiane des menschlichen Körpers nach TCM-Lehre. Quelle: wikipedia. Lizenz: public domain

Auch wenn, wie im nächsten Kapitel genauer erläutert, die Akupunktur vor einigen Jahrzehnten in China vereinheitlicht wurde, gibt es unzählige Abwandlungen davon, u.a. eine japanische und eine koreanische Variante. Neben den “klassischen” Formen gibt es zahlreiche eng verwandte Verfahren. Bei der Akupressur wird nur Druck auf die Akupunkturpunkte ausgeübt, ohne die Haut zu durchstechen. Bei der Moxibustion werden Kräuter (insb. Beifuß, Artemisia vulgaris, auch Moxa genannt) über der Haut verbrannt. Teilweise wird durch die Nadeln elektrischer Strom geleitet (“Elektroakupunktur”), teilweise werden sie erhitzt oder gekühlt. Bei der Ohrakupunktur geht man davon aus, dass die Ohrmuschel einen Embryo darstellt, und dass von ihr alle anderen Organe mit einen gezielten Nadelstich beeinflusst werden können (dazu wird eine ganze Reihe neuer Meridiane postuliert). Auch kleine Aderlässe werden unter dem Überbegriff Akupunktur durchgeführt. Es gibt Laserakupunktur und Akupunktur mit Bienengift, entweder auf eine Nadel aufgetragen oder mit lebenden Tieren (sehr öko). Bei der Liquidakupunktur wird ein Lokalanästhetikum durch die Nadel injiziert (also eigentlich eine stinknormale Spritze). Oftmals werden diese Abwandlungen auch wild durchmischt. Im Folgenden werde ich über die Form der Akupunktur reden, bei der dünne Nadeln an definierten Akupunkturpunkten durch die Haut gestochen werden, ohne weitere “Gimmicks”. Insbesondere rede ich nicht von Elektroakupunktur, was in Studien nicht immer klar getrennt wird.

Die TCM diagnostiziert Krankheiten auf eine andere Art und Weise als die wissenschaftsbasierte Medizin. Für die Diagnose müssen neben Yin und Yang auch die 5 Elemente (Feuer, Wasser, Erde, Holz, Metall) beurteilt werden. Alle sind dabei mit anderen Eigenschaften verknüpft: Yin ist z.B. mit dem weiblichen Geschlecht, Kälte, “innen”, Feuchte und dem Mond assoziiert; Yang jeweils mit dem Gegenteil. Dem Element Feuer wird u.a. der Süden, das Herz und die Geschmacksrichtung bitter zugeordnet. Die Therapie zielt darauf ab, wieder ein Gleichgewicht zwischen diesen Kräften herzustellen. Hoher Blutdruck kann beispielsweise auftreten, wenn wir zu viel Yang oder zu wenig Yin besitzen. Ein Yang-Überschuss kann z.B. durch den Konsum “kalter” Lebensmittel (wie Wassermelone) ausgeglichen werden, die jedoch (etwas paradox) gekocht bzw. warm konsumiert werden sollen. Jedoch kann ein hoher Blutdruck auch dadurch bedingt sein, dass das Blut stagniert, und in diesem Fall sollten dann keine kalten Nahrungsmittel verzehrt werden.

Zur Diagnose werden u.a. auch die Zunge inspiziert und der Puls getastet. Im Gegensatz zur wissenschaftsbasierten Medizin, in der Zunge und Puls nur in Einzelfällen klaren Rückschluss auf die zugrundeliegende Pathologie erlauben, kann in der TCM eine ganze Fülle an Krankheiten (im Sinne der TCM) diagnostiziert werden. Eine rote Zungenspitze zeigt z.B. Hitze im Herzen an. Ein Puls kann z.B. auch Qualitäten wie “treibend” oder “rutschig” annehmen.

In der neuen Version der International Classification of Diseases der WHO (dem System, das von den meisten Ländern verwendet wird, um Krankheiten einzuteilen und zu klassifizieren, insb. um Behandlungen abrechnen zu können), der ICD-11, sind auch Diagnosen der TCM aufgelistet, wie z.B. SF57 liver qi stagnation pattern:

A pattern characterized by distending and burning pain of the hypochondrium, along with restlessness, irritability, bitter taste, dry mouth, red tongue with yellow coating or a wiry rapid pulse. It may be explained by long-term stagnation of liver system qi induced internal fire factor that affects tissues and functions associated with the liver system.

Ein Muster gekennzeichnet durch einen ziehenden und brennenden Schmerz im Hypochondrium [der laterale obere Teil des Bauchs, unter der Brust], zusammen mit Ruhelosigkeit, Gereiztheit, bitterem Geschmack, trockenem Mund, roter Zunge mit gelbem Belag oder einem drahtigen, schnellen Puls. Es kann durch eine langfristige Stagnierung des Lebersystem-Qi-induzierten internen Feuerfaktors [oder so ähnlich] erklärt werden, der Gewebe und Funktionen des Lebersystems beeinflusst.

Wenn sich jemand fragt, was der letzte Abschnitt denn jetzt bedeuten soll: ich habe selber keine Ahnung. Einen Bezug zur Realität hat das Ganze auf jeden Fall nicht. Auch ist es enorm schade, dass die WHO solchen offenkundig esoterischen, realitätsfremden und präwissenschaftlichen Konzepten durch eine Aufnahme in den ICD-11 ungerechtfertigte Authentizität bestätigt.

Als kleinen Einschub möchte ich kurz erwähnen, dass in der wissenschaftsbasierten Medizin beispielsweise auch von einer “kalt-feuchten” Herzinsuffizienz die Rede sein kann. Wo liegt denn hier der Unterschied zu einem Yin-Patienten, der auch als kalt und feucht beschrieben wird? Wohingegen in der TCM “kalt” schon ein Konzept an und für sich ist, das keine tiefere Begründung hat, bietet die Bezeichnung “kalt” bei der Herzinsuffizienz direkt Rückschluss auf die Pathophysiologie der Erkrankung. Denn der Patient hat in diesem Fall eine kalte Haut, weil das Herz nicht genügend Blut pumpen kann. Daraufhin zentralisiert der Körper den Kreislauf, d.h. das wenige vorhandene Blut wird priorisiert in lebenswichtige innere Organe geleitet, eben auf Kosten der Hautdurchblutung. Analog bedeutet “feucht” im Kontext der Herzinsuffizienz, dass der Patient ein Lungenödem entwickelt hat (“Wasser in der Lunge”), was auftritt wenn das linke Herz nicht mehr genug Blut pumpt und sich dieses in die Lunge zurückstaut. Bei einem kalt-feuchten Herzpatienten hat der Arzt also direkt einen Rückschluss auf das zugrundeliegende Problem, das dementsprechend therapiert werden kann. Die Bezeichnung ist also als Heuristik zu verstehen. Keinerlei solche Erklärung ist mit “Kälte” und “Feuchte” in der TCM verbunden.

Scope of the Problem

Im Rahmen eines TCM-Seminars an meiner Universität (angeboten von der ironisch betitelten “Akademie für Wissenschaft”) wurden von unserem Dozenten folgende Krankheiten als Indikationen für eine Akupunkturbehandlung (unterstützend bis heilend) genannt:

  • Tinnitus
  • Otitis externa (Außenohrentzündung)
  • allergische Rhinitis (Heuschnupfen)
  • Asthma bronchiale (!)
  • rezidivierende Beinödeme (rezidivierend = wiederkehrend)
  • Sinusitis (Entzündung der Nasennebenhöhlen)
  • Schmerzen, z.B. der Lendenwirbelsäule
  • Hyperemesis gravidarum (Schwangerschaftsübelkeit)
  • Tachykardie (erhöhte Herzfrequenz)
  • Dyspnoe (Atemnot)
  • Reiseübelkeit
  • “jegliche Beschwerden des Arms”
  • “jede Art von Lungenerkrankungen”, u.a. Tracheobronchitis und Pneumonie
  • Nackenschmerzen
  • degenerative Erkrankungen des Augenhintergrunds, u.a. Retinopathien und Maculadegeneration
  • Pharnygitis (Entzündung des Rachen)
  • Tonsillitis (Mandelentzündung)
  • Depression
  • Schlafstörungen
  • Migräne
  • Schwindel
  • Tendopathien (Erkrankungen der Sehnen)
  • Fazialisparese
  • Epilepsie (insb. juvenil)
  • Trigeminusneuralgie
  • Mastitis (Entzündung der weiblichen Brust)
  • Gonarthrose (Arthrose des Kniegelenks)
  • “Schwäche”

Die Spannweite der obigen Indikationen ist als deutlich konservativ einzuschätzen. Die kommen von einem Allgemeinmediziner, der durchaus versteht, dass schwere Krankheitsbilder einer echten, nachgewiesenermaßen wirksamen Therapie bedürfen. Es würde mich aber keineswegs wundern, wenn man für (fast) jedes beliebige Krankheitsbild einen willigen Akupunkteur findet, der entweder weniger Skrupel oder weniger Fachwissen besitzt, und einem dafür liebend gerne eine Nadel durch die Haut sticht. In einem Artikel von Daniel Ryan, der 2017 im New Zealand Medical Journal erschienen ist, hat er systematisch Webseiten von Akupunkturanbietern in Neuseeland nach Krankheiten durchsucht, bei denen man nach neuseeländischem Gesetz keine Behauptungen über Prävention, Therapie oder Heilung machen darf. Fast alle (96 %) haben behauptet, psychische Störungen behandeln zu können. 84 % waren es bei Infertilität, 68 % beim Bluthochdruck, 14 % bei Herzerkrankungen und 10 % waren sich nicht zu fein auch Krebs zu behandeln.

Unter der obigen Liste möchte ich das Asthma bronchiale hervorheben: Ich denke vielen Leuten ist nicht klar, dass es sich beim Asthma um eine potentiell lebensbedrohliche Erkrankung handelt, an der auch jedes Jahr Menschen versterben. 2016 waren es laut statistischem Bundesamt in Deutschland z.B. 342 Männer und 625 Frauen (zum Vergleich: in Verkehrsunfällen sterben in Deutschland ca. 2000-4000 Menschen pro Jahr). So eine Krankheit muss also adäquat behandelt werden, und darf nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Auch eine Akupunkturbehandlung bei einem approbierten Arzt kann also durchaus gefährlich sein, wenn er sich beim Asthma lieber auf Nadeln statt inhalative Glucocorticoide verlässt.

Eine Publikation der WHO aus dem Jahr 2003 hat behauptet, dass eine Wirkung der Akupunktur für z.B. die essentielle Hypertonie (Bluthochdruck) und rheumatoide Arthritis klar bewiesen wäre, und sie auch bei Koma zumindest mal versucht werden kann. Derartige Empfehlungen bei solch gefährlichen Krankheitsbildern (essentielle Hypertonie ist der Risikofaktor für Herzinfarkte und Schlaganfälle und damit frühzeitigen Tod; eine unbehandelte rheumatoide Arthritis kann zu starken chronischen Schmerzen und Invalidität führen; dass ein Koma irgendwie nicht gut ist erklärt sich denke ich von selbst) müssten eigentlich auf einer soliden empirischen Grundlage basieren, denn häufig findet sich bereits eine wissenschaftsbasierte Therapie. Leider ist es nur allzu häufig, dass Akupunktur anstelle einer solchen Therapie eingesetzt wird.

All das zeigt schon ein Problem der Akupunktur, nämlich das Framing als Alternative zu etablierten und nachgewiesenermaßen wirksamen Therapien. Weitere Gründe, wieso Akupunktur mitnichten harmlos ist, werden wir im letzten Teil dieser Serie diskutieren.

Akupunktur in Deutschland

Ende 2018 gab es in Deutschland ca. 13.000 berufstätige Ärzte mit der Zusatzbezeichnung Akupunktur. Das sind deutlich mehr als die Zusatzbezeichnungen Homöopathie (ca. 5.000) und Intensivmedizin (ca. 8.000), und nach der Notfallmedizin (ca. 42.000), manuellen Medizin (ca. 18.000), Sportmedizin (ca. 14.000), Naturheilkunde (ca. 13.000) und Psychotherapie (ca. 13.000) ist die Akupunktur damit die sechsthäufigste Zusatzbezeichnung.

Zahlen dazu, wie viele Behandlungen jährlich durchgeführt werden, habe ich nicht gefunden. Mit rund 13.000 Ärzten, die sicherlich Akupunkturbehandlungen durchführen, und ca. 47.000 Heilpraktikern, die dieser Methode auch nicht abgeneigt sind, wird die Anzahl an Behandlungen sicherlich signifikant sein. 2007 haben die gesetzlichen Krankenkassen die Akupunktur bei chronischen Rückenschmerzen und Arthrose des Kniegelenks auf Basis der GERAC-Studien (s. Teil 6 der Serie) in den Leistungskatalog mit aufgenommen. Eine Behandlung besteht aus mehreren Sitzungen (die GKV zahlt i.d.R. 10 Sitzungen pro Jahr), und eine Sitzung kostet ca. 30-70 €. Die Akupunktur hat damit also eine gewisse wirtschaftliche Bedeutung.


1: Pseudomedizin soll im folgenden Text definiert sein als medizinische Diagnosemethoden oder Therapien, deren Nutzen entweder noch nicht gezeigt wurde, oder von denen gezeigt wurde, dass sie nicht wirksam sind (d.h. nicht besser wirken als ein Placebo). Wieso ich bewusst diesen Begriff verwende, hab ich hier erklärt.

Quellen:

2 Kommentare

  1. Grad den Vothschen Podcast mit dir gehört.
    Sehr schön.
    Aber ich hab da Frage:
    An einer Stelle wurde so Unterschied zwischen Evidenzbasierter Medizin und Wissenschaftsbasierter Medizin kurz angerissen, weniger als das, jedenfalls erwähnt.
    Gibt’s den denn?
    Es KLANG so, als sei die eine (Evidenzbasiert) irgendwie die schwächere Variante der Anderen.
    Is das so?
    Weißt schon, man könnte denken: Hui, evidenzbasiert. Er hat 23 Stunden sein Knie bependeln lassen und fühlt sich jetzt besser. EVIDENZ!

    Ich dachte eigentlich Evidenz wäre just was in (gutgemachten) Studien auftaucht.
    Und als solche Basis zb. für die Zahlung durch Krankenversicherungen dient.

    Hab ich mich da irgendwie verhört bzw. irgendwas nicht richtig verstanden?

    Diverse Grüße

    Andreas

    PS
    Frau Voth auch gefragt

    1. Hi Andreas!

      Den Unterschied werde ich ausführlich im dritten Teil der Akupunktur-Serie erklären. Hier aber schon mal die Kurzversion: Die evidenzbasierte Medizin (EbM) schaut sich – wie du ganz richtig sagst – die wissenschaftlichen Studien zu einem Thema an, und entscheidet dann, ob etwas wirkt oder nicht. Also ja, es geht auch hier um gut gemachte klinische Studien. Die wissenschaftsbasierte Medizin (SbM – science-based medicine) schaut sich genauso die Studienlage an, aber interpretiert die vor dem Hintergrund der “biologischen Plausibilität”, d.h. was wissen wir denn schon aus nicht-klinischer Sicht über die untersuchte Therapie. Im Falle der Akupunktur bedeutet das: wir wissen sehr sicher, dass es so etwas wie Qi, Meridiane und Akupunkturpunkte nicht gibt. Dass Akupunktur also eine spezifische Wirkung haben kann, ist ziemlich unwahrscheinlich (denn die Grundannahmen treffen nicht zu). Dementsprechend müssten die klinischen Studien schon sehr deutliche Effekte der Akupunktur zeigen, dass man davon ausgehen kann, dass da doch etwas dran ist. Bei der eher schwachen Studienlage, so wie sie aktuell ist und im Podcast umrissen wurde, scheint es angesichts der geringen biologischen Plausibilität der Akupunktur die deutlich wahrscheinlichere Möglichkeit, dass die Studien aufgrund von Artefakten (wie z.B. Publication bias, unzureichender Verblindung o.ä.) positiv sind, und nicht aufgrund eines spezifischen Akupunktureffekts. Eine ähnliche Studienlage könnte mich aber bei einer anderen Behandlung durchaus davon überzeugen, dass sie wirkt – wenn eben ihre biologische Plausibilität höher ist. Beispielsweise ein Medikament, von dem schon eine gute Wirkung in der Zellkultur und Tiermodellen gezeigt wurde.

      Der Unterschied ist also insb. beim Thema Pseudomedizin wichtig, da hier eben Methoden mit sehr geringer biologischer Plausibilität betrachtet werden. Wenn es um “normale” medizinische Forschung geht (also um neue Blutdruckmedikamente oder Krebstherapien oder sowas), ist eine gewisse biologische Plausibilität meistens gegeben. Da ist die Unterscheidung zwischen EbM und SbM dann vielleicht nicht mehr so sehr relevant. Und natürlich wird auch in der EbM von den Experten die biologische Plausibilität meistens in die Interpretation einer klinischen Studie mit einbezogen, aber es wird eben selten explizit ausformuliert.

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