Was wir von Homöopathie lernen können

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Vor einer guten Woche habe ich bei einem Wettbewerb des Informationsnetzwerks Homöopathie und der GWUP zusammen mit einer guten Freundin den dritten Platz belegt. Das nehme ich zum Anlass, ein wenig über Homöopathie und Pharmakologie zu schreiben. Falls jemand meine Einreichung lesen möchte: Ich hoffe, dass sie auch bald auf der Seite des INH veröffentlicht wird. Da werde ich dann auch im Blog drauf verlinken.

Homöopathie, das ist doch das mit den Kügelchen?

Beginnen wir mit einer kurzen Zusammenfassung, was Homöopathie eigentlich ist. Homöopathie hat nichts mit Naturheilkunde zu tun, auch wenn das häufig geglaubt wird. Erfunden wurde die Homöopathie um 1800 herum vom deutschen Arzt Samuel Hahnemann. Desillusioniert von der damals “modernen” Medizin, die mitunter brachiale und enorm schädliche Verfahren anwendete, wünschte er sich eine neue Medizin, die ohne alls das auskommt. Mit dieser Einschätzung lag er definitiv nicht falsch, denn viel von dem, was früher als “state of the art” in der Medizin gehandhabt wurde, hat mehr Schaden angerichtet, als es genutzt hat. In seiner Medizin – der Homöopathie, im Gegensatz zur Allopathie – galten (und gelten bis heute) zwei Grundsätze. Der erste lautet Similia similibus curantur – Gleiches mit Gleichem heilen. Ein Stoff, der bei einem Gesunden ein bestimmtes Symptom verursacht, ist dazu geeignet, eine Erkrankung, die dieses Symptom hervorruft, zu heilen. Davor muss jedoch noch das zweite Prinzip bedacht werden. Das der Arzneimittelpotenzierung. Ein Chemiker würde es “verdünnen” nennen, die Homöopathen sprechen aber von Potenzierung. Man nimmt einen Teil einer Lösung, beispielsweise einer Kochsalzlösung (die z.B. gegen Schlafstörungen helfen soll – kein Scherz), und gibt dazu neun Teile des Lösungsmittels – meistens Wasser oder Ethanol (Trinkalkohol). Dann verschüttet man das Gemisch auf rituelle Art und Weise. Dann nimmt man wieder einen Teil der nun potenzierten (verdünnten) Lösung und wiederholt den Prozess – gerne auch zwanzig, dreißig, hundert Mal. Recht fix ist man dann an dem Punkt angelangt, an dem sich in der Lösung kein einziges Molekül der ursprünglichen Lösung mehr befindet (bei einer einmolaren Lösung ist das nach 24 1:10-Verdünnungen der Fall). Trotzdem sagen die Homöopathen dieser Lösung nun eine sogar noch größere Heilkraft als der Ursprungslösung nach. Selten werden in der Homöopathie jedoch wirklich solche Verdünnungen verwendet, meistens werden kleine Zuckerkügelchen (die infamen Globuli – die Einzahl lautet übrigens Globulus) mit den Verdünnungen beträufelt.

Wissenschaftlich gesehen sind beide Konzepte Blödsinn. Gleiches mit Gleichem heilen zu wollen würde bedeuten, dass man Koffein gegen Schlaflosigkeit verwendet (und ja, das machen Homöopathen auch) oder eine Bleivergiftung mit mehr Blei therapiert. Und eine “Potenz”, in der kein Wirkstoff mehr vorhanden ist, enthält nichts, was eine pharmakologische Wirkung entfalten könnte. Kurz zusammengefasst lässt sich sagen: Homöopathie – nichts drin, nichts dran.

Und wer noch immer daran zweifelt, dass Homöopathie eine Pseudowissenschaft darstellt: Selbst die Vorsitzende der homöopathischen Ärzte schafft es nicht, einen einzigen Meilenstein der homöopathischen “Forschung” der letzten zweihundert Jahre zu benennen. Denn im Prinzip läuft alles noch so, wie Hahnemann es sich vor zweihundert Jahren ausgedacht hat. Ein klares Kriterium der Pseudowissenschaft, die sich nie weiterentwickeln kann:

Sich über Homöopathie lustig zu machen ist ja toll, aber wozu das Ganze?

Tatsächlich ist das Ziel dieses Posts nicht, zu erklären, wieso Homöopathie Unsinn ist. Das muss jedem klar sein, der die beiden Grundprinzipien kennt und im Chemieunterricht ein wenig aufgepasst hat (wobei das vermutlich keine realistische Annahmen sind, wie Umfragen zur Beliebtheit der Homöopathie zeigen). Mir geht es vielmehr darum, ein wenig zu erklären, wie eigentlich Pharmakologie auf einer molekularen Ebene funktioniert. Denn als Erklärung der Homöopathen, wie reines Wasser ohne Wirkstoff denn trotzdem eine Wirkung entfalten kann, wird gerne das sog. Wassergedächtnis angeführt. Die “heilende Information” der Wirksubstanz gehe nämlich beim Verschütteln auf das Wasser über. So könne dann auch das Wasser ganz ohne Wirkstoff heilen. (Wie diese “heilende Information” dann auch auf den Zucker übertragen wird, wird dabei gerne ignoriert. Egal.)

Was aber ist die “heilende Information” einer Substanz? Anders gefragt: Was bestimmt die Wirkung eines Medikaments? Das ist eine viel interessantere Frage.

Nehmen wir als Beispiel das Phenprocoumon, besser bekannt unter dem Markennamen Marcumar. Phenprocoumon ist ein sogenannter “Blutverdünner“, besser gesagt, ein Hemmstoff der Blutgerinnung. Das macht Phenprocoumon, indem es die Wirkung von Vitamin K in der Leber hemmt. Vitamin K benötigt die Leber nämlich, um bestimmte Gerinnungsfaktoren herzustellen. Wir erinnern uns, das sind Proteine im Blut, die zusammen mit den Blutplättchen (Thrombozyten) dazu führen, dass unser Blut gerinnt. Dazu findet sich in Leberzellen ein Enzym, die Chinon-Reduktase. Diese wandelt Vitamin K in eine aktivierte Form um, die dann zur Synthese dieser Gerinnungsfaktoren benötigt wird. Phenprocoumon bindet jetzt jedoch an das gleiche Enzym, und zwar so, dass es dieses blockiert. Jetzt kann es das Vitamin K nicht mehr umwandeln, die Gerinnungsfaktoren können nicht produziert werden, und das Blut wird dadurch weniger gerinnungsfähig. Betrachten wir die Strukturformeln der beiden Moleküle, Phenprocoumon und Vitamin K, dann ist klar, wie dieser Effekt zustande kommt:

Die Strukturformeln der biologisch aktiven Form von Vitamin K (Vitamin K2 = Menachinon) und des Vitamin K-Antagonisten Phenprocoumon. Man erkennt, dass die “linken” Teile des Moleküls sich sehr ähnlich sind. Sie sind es, die vom aktiven Zentrum der Chinon-Reduktase erkannt werden, um so die beschriebene chemische Reaktion zu katalysieren, die benötigt wird, um in der Leber Gerinnungsfaktoren herzustellen.

Beide Moleküle binden das aktive Zentrum des Enzyms, aber nur eines von beiden kann umgewandelt werden, das andere bleibt dann “kleben” und verhindert die weitere Umwandlung von Vitamin K. Die “heilende Information” eines Moleküls besteht also in seiner dreidimensionalen Struktur (und den Ladungen, die es trägt). Verändert sich die Struktur, verändert sich auch die biologische Wirkung, also der Einfluss auf Enzyme (und andere Proteine). So wirkt ein Großteil aller Medikamente: durch die spezifische Bindung an ein bestimmtes Protein (das häufig ein Enzym ist).

Was bedeutet das jetzt für das Wassergedächtnis? Nun, die einzige Möglichkeit, wie Wasser die 3D-Struktur eines Moleküls übernehmen könnte, wäre, dass es das Molekül umgibt, und so eine Art Negativbild des Moleküls entsteht. Eine solche starre “Formation” vieler Wassermoleküle ist jedoch unmöglich. Denn Moleküle bewegen sich immer hin und her (das ist letztlich nichts anderes als die Temperatur eines Stoffes). Das kann man ganz einfach zeigen, indem man in eine gefüllte Badewanne am einen Ende einen Tropfen Farbstoff hinzu gibt. Der Farbstoff breitet sich immer weiter aus, bis er sich irgendwann in der gesamten Badewanne verteilt hat. Grund ist die Eigenbewegung der Farbstoffteilchen, die man auch Brown’sche Molekularbewegung nennt. Die findet sich auch beim Wasser, und jede “Hülle” um ein Molekül existiert nur für den Bruchteil eines Bruchteils einer Sekunde. Ein Wassergedächtnis ist also allein deswegen schon unmöglich (und um an ein Enzym zu binden, müsste aus dem Negativ ja auch irgendwie wieder ein Positivbild entstehen).

So ungefähr müsste ein Wassergedächtnis aussehen. Leider macht uns da die Chemie einen Strich durch die Rechnung, da Wassermoleküle im flüssigen Zustand keine geordnete Struktur annehmen können. Das ist letztlich die Definition einer Flüssigkeit.

Conclusio

Die “heilende Information” eines Medikaments ist gar nicht so esoterisch, wie das vielleicht auf den ersten Blick scheint. Letztlich ist damit die dreidimensionale Struktur des Moleküls gemeint, die bestimmt, mit welchen Proteinen des Körpers dieses Molekül interagieren kann. Auf Wasser kann diese Information jedoch nicht übertragen werden. Homöopathie bleibt daher Quatsch – auch wenn ihre Anhänger natürlich weiterhin Ausreden finden werden, um zu erklären, wieso ich mit dieser Einschätzung total daneben liege.

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